Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
und sie in seinem Spind in der Kaserne aufbewahrt, nun, damit bringt er sie in gewisser Weise in Verruf. Ich bin ein wenig überrascht, dass er solche Ze i chen der Zuneigung von einem Mädchen entgege n nimmt, das fast noch ein Kind ist. Aber es spricht für se i ne guten Absichten, dass er seinen Bruder gebeten hat, sich an mich zu wenden.« Er hielt einen Moment inne und dachte über die Angelegenheit nach.
»Ich werde Folgendes für dich tun. Ich werde unsere Briefe, deine und meine, von Daraleen zurückfordern. Und ich werde, so sie denn da sind, die Briefe von der Mutter und dem Bruder deines Freundes an mich ne h men. Das Mindeste, was ich dem jungen Lord Kester schulde, ist eine Antwort auf seine Bitte, dass sein Sold a tenbruder Epiny den Hof machen darf. Aber ich möchte auch wissen, was in den Briefen gestanden hat, die Epiny an den jungen Spink gesandt hat, dass Daraleen sich so sehr darüber ereiferte. Ich hätte spüren müssen, dass da irgendetwas hinter ihrer plötzlichen Forderung steckte, Epiny solle auf ein Mädchenpensionat geschickt werden. Und dann auch noch auf Madame Pintors Pensionat für höhere Töchter! Es ist sehr teuer, obwohl es so abgelegen ist. Und ich werde mich auch mit Epiny zusammense t zen, um ihr zu erklären, wie sich ein junges Mädchen gegenüber einem jungen Mann korrekt und s chicklich verhält, denn ich bin sicher, dass sie keinen Begriff von dem hat, was sie getan hat. Ganz sicher wollte sie nicht mehr, als ihm ihre Freundschaft zu erweisen. Wenn alles so ist, wie ich erwarte, werde ich mich persönlich bei Oberst Stiet dafür einsetzen, dass Spinks guter Ruf an der Akademie wiederhergestellt wird. Habe ich dich damit beruhigt?«
Ich konnte diese Frage wohl kaum mit ja beantworten, denn ich fürchtete, dass ihm das, was er in Epinys Bri e fen an Spink finden würde, nicht sonderlich gefallen würde. Ich hatte meine Base wahrlich nicht als ein Mä d chen kennengelernt, das sich um eine diplomatische Sprache bemühte, nicht einmal dann, wenn sie ihrem V a ter einzureden versuchte, dass sie viel zu jung sei, um schon als junge Dame betrachtet werden zu können. Aber diesen Gedanken behielt ich für mich. Ich bedankte mich noch einmal bei meinem Onkel und gab ihm artig die Hand. Bevor er meine Hand losließ, fügte er hinzu: »Wenn Epiny im heiratsfähigen Alter wäre, würde ich einen Burschen mit Spinks Fähigkeiten und Charaktere i genschaften sogar mit durchaus wohlwollendem Blick als potentiellen Bewerber um Epinys Hand in Erwägung ziehen. Er scheint mir ein vernünftiger, klar denkender junger Mann zu sein, und das ist eine Charakterzug, von dem ich glaube, dass Epiny ihn bei einem Mann bitter nötig haben wird.« Doch noch während plötzliche Hof f nung in mir aufkeimte, fügte er hinzu: »Doch er würde ganz und gar nicht zu den politischen Ambitionen me i ner Frau Gemahlin passen, fürchte ich. Ich bin sicher, sie würde nie und nimmer ihre Zustimmung zu einer Liaison Epinys mit dem Sohn eines neuen Edelmannes geben.«
Ich starrte ihn ungläubig an. »Meine Tante hat polit i sche Ambitionen? Das verstehe ich nicht.« Wie konnte eine Frau glauben, in der rauen Welt des Adels und des Ringens um Macht und Einfluss ernsthaft mitmischen zu können? »Ich dachte, sie sucht einen reichen Bewerber für Epiny, oder jemanden aus einer vornehmen alten F a milie …«
Ich glaube, mein Onkel spürte, was hinter dieser Frage steckte, denn er sah mich kopfschüttelnd an. »Und du glaubst, das hat gesellschaftliche, und nicht politische Gründe? Du musst noch viel lernen, Nevare. Oder müs s test es, wenn du ein Erstgeborener wärst. Soldatensöhne sind in der glücklichen Lage, gegen solcherlei Mache n schaften gefeit zu sein. Hier in Alt-Thares, und besonders bei Hofe, haben die Ehefrauen des alten Adels ihre ganz eigene Gesellschaft, mit einer Machthierarchie und e i nem heikel austarierten Gefüge von Bündnissen, gegen das sich die politischen Rankünen innerhalb der Kammer des Rats geradezu simpel und überschaubar ausnehmen. Epiny und Purissa sind das Kapital, das meine Frau G e mahlin einsetzen wird, um sich ihre Position zu sichern, wenn man es krass ausdrücken will. Mit ihnen möchte sie sich Allianzen mit anderen Adelshäusern erkaufen. Es hat schon Nachfragen nach meinen beiden Töchtern g e geben. Ich habe deutlich gemacht, dass ich warten will, bis sie zu Frauen herangereift sind, bevor ich entscheide. Ich möchte sie selbstverständlich gut verheiraten, aber es
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