Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
ganz fahl. Dass er auf Bewährung war, hatte sich inzwischen in der gesamten Akademie herumgesprochen, wenn auch nicht der Grund dafür. Es machte ihn zu einem Objekt der Neugier und der Spekulation, und wenn er die Energie g ehabt hätte, auf die Blicke zu achten, die ihm folgten, bin ich sicher, dass er sich geärgert hätte.
In der Nacht vor den Prüfungen wurde ihm speiübel. Ich konnte nicht sagen, ob es Nervosität war oder der dauernde Schlafentzug. Mitten in unserer letzten Büffe l sitzung gab er einfach auf. Er klappte seine Bücher zu, und ohne ein Wort, einzig mit einem letzten waidwunden Blick in die Runde, ging er ins Bett. Unsere Stimmung, die ohnehin schon nicht die allerbeste war, sank auf einen Tiefpunkt. Gord war der Nächste, der die Waffen strec k te. »Entweder schaff ich’s, oder ich schaff’s nicht. Ich habe getan, was ich konnte«, sagte er. Dann wuchtete er sich aus seinem Stuhl und begann, seine Bücher zusa m menzupacken.
»So viel wie du konntest für heute, und morgen so viel wie du solltest«, bemerkte Trist. Es war eine Festste l lung, keine Frage. Wir wussten alle, was er damit meinte. Gord ging nicht darauf ein.
»Ich werde alles tun, was ich kann, um jede einzelne meiner Prüfungen gut zu bestehen und unsere Patrouille vor der Aussonderung zu bewahren. Mehr als das kann keiner von uns tun.«
»Einer von uns könnte mehr tun, wenn er den Mumm dazu hätte. Wenn ihm wirklich was am Rest der Gruppe liegen würde.« Trist hob die Stimme bei seinem letzten Satz, damit Gord ihn nur ja hörte. Das Zuschlagen der Schlafzimmertür war seine einzige Antwort. Trist zischte ein Schimpfwort und ließ sich in seinen Stuhl zurüc k sacken. »Der fette Arsch reißt uns alle rein mit seinem verlogenen Ehrgefühl. Wahrscheinlich hofft er, dass wir alle ausgesondert werden. Dann kann er nach Hause zu seinem Trog gehen, sagen, es sei nicht seine Schuld, und seine Soldatenkarriere vergessen. Ich geh jetzt ins Bett.«
Trist schlug wütend sein Buch zu, als hätte es ohnehin keinen Zweck mehr, weiter zu lernen, als hinge alles von Gord und Spink ab und als könne keiner von uns irge n detwas an unserem Schicksal ändern.
Rory klappte seine Bücher nicht ganz so geräuschvoll zu. »Ich bin fertig«, sagte er resigniert. »Mein Kopf ist so voll, mehr krieg ich nicht rein. Ich gehe ins Bett und träume vom Dunkelabend. Unsere Ergebnisse werden eh erst nach den Feiertagen ausgehängt. Also geh ich raus und mach mir eine schöne Nacht in Alt-Thares. Könnte die einzige Gelegenheit sein, die ich je dazu haben we r de. Nacht, Jungs.«
»Da sagt er was«, sagte Caleb. »Ich werd mir jede n falls eine Nacht gönnen, die ich niemals vergessen we r de. Ich habe gehört, die Huren l assen einen in der Nacht gratis ran, aber für alle Fälle habe ich zwei Monate lang mein Taschengeld gespart. Die nehm ich so ran, dass sie auf dem Zahnfleisch nach Hause gehen, das schwör ich euch.«
»Du wirst derjenige sein, der auf dem Zahnfleisch nach Hause geht, wenn du dir erst bei einer die Schwan z räude eingefangen hast. Habt ihr gehört, was dem Gefre i ten Hawley von Haus Schinter passiert ist? Der hatte so heftige Schwanzräude, dass er nicht mal mehr pissen konnte, ohne das ganze Haus zusammenzuschreien. Lass dich bloß nicht mit Nutten ein, mein Freund.« Das kam von Rory, beim Hinausgehen über die Schulter gerufen.
»Ha! Hawley war ja auch zu geizig, Geld für einen richtigen Puff auszugeben. Hat sich, wie ich hörte, mit Straßennutten eingelassen. Das verstehe ich nicht unter Spaß, es im Stehen zu machen, während irgendeine ar m selige kleine Straßendirne bei jedem Stoß mit dem Hi n terkopf gegen eine Backsteinmauer knallt.«
»Ich geh jetzt ins Bett.« Korts Stimme verriet den b e lustigten Abscheu, den er angesichts der Reden beider empfand. »Viel Glück allerseits.« Als er aufstand, erhob sich auch Natred von seinem Stuhl. Auch ich begann meine Bücher zusammenzupacken.
Der morgige Tag würde über meine gesamte Zukunft entscheiden. Es erfüllte mich mit ohnmächtiger Wut, dass, selbst wenn ich jeden Test mit Glanz und Gloria bestand, ein einziges schlechtes Ergebnis von einem meiner Kameraden genügen würde, um mich mit in den Abgrund zu reißen. Ich schaute sie mir an, und für einen Moment empfand ich wilden Hass auf Oberst Stiet und die Akademie und sogar auf meine Mitkadetten.
Später, als ich im Bett lag, schloss ich die Augen und versuchte mich in den Schlaf voranzutasten, aber ich
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