Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
atmete ein paarmal tief durch. Es war Zeit, dass ich das Kommando übernahm, und ich konnte nicht darauf vertrauen, dass irgendeiner meine Befehle befolgen würde. Nicht, wenn ich nicht auch physisch die Führung übernahm. »Spink und Caleb. Ihr watet mit mir rüber. Rory, gib mir das eine Ende von dem Seil.«
»Wofür brauchst du uns denn?«, fragte Caleb in que n gelndem Ton.
Ich gab ihm keine Antwort. Er wusste genau, dass er einen Befehl nicht zu hinterfragen hatte, und ich hatte nicht vor, ihm gegenüber nachsichtig zu sein. Rory schü t telte ein Stück von dem Seil heraus und reichte mir ein Ende. »Auf geht’s«, sagte ich.
Ich setzte vorsichtig einen Fuß auf die Uferböschung, dann den zweiten, doch trotz all meiner Versuche, Halt zu finden, legte ich den größten Teil des Weges ru t schend und schlitternd zurück. Ich hatte mir extra eine Stelle ausgesucht, die mit Schnee bedeckt war. Trotzdem waren meine Hosenbeine und mein Hosenboden voller Matsch, als ich unten ankam, wo meine Stiefel sofort in den Schlamm einsanken, wenngleich nur ein paar Zoll tief. »Spink, Caleb, kommt!«, rief ich ihnen zu und keh r te ihnen dann den Rücken zu, weil ich ihnen nicht dabei zusehen wollte, wie sie zögerten. Ich durchquerte das schlammige Bachbett, wobei ich bei jedem Schritt durch das Eis brach. Zum Glück war das Wasser nicht tief. Drüben angekommen, krabbelte ich die steile Böschung hinauf, bloßliegende Wurzeln und Grasbüschel als Kle t terhilfe nutzend. Als ich endlich auf der anderen Seite stand, war ich völlig verdreckt. Spink war zu meiner Überraschung direkt hinter mir. Caleb schaute uns einen Moment zu, und als wir ihn nicht weiter beachteten, kam er auch herüber. Er musste sich mit Hilfe des Seils hoc h ziehen. Er war groß, aber nicht muskulös. Wir griffen nach unten, zogen ihn hoch und standen dann auf und säuberten unsere Hände. Ich bemerkte, dass Hauptmann Maw uns beobachtete, mit einem eigenartigen Lächeln im Gesicht. Ich fragte mich, ob dies womöglich seine ganz eigene Art war, uns einen Streich zu spielen. Ich grinste zurück und winkte, um ihm zu zeigen, dass ich den Spaß verstand. Dann wandte ich mich wieder unserer Aufgabe zu.
Ich hatte noch nie eine Seilbrücke gebaut, aber ich ha t te schon welche auf Bildern gesehen. Ich rief hinüber, dass wir es mit der simpelsten Konstruktion probieren würden: einem einzelnen Seil, das über die Kluft g e spannt und möglichst stramm gezogen wurde, sodass man darauf gehen konnte, und einem zweiten Seil obe r halb davon, an dem man sich festhalten konnte. Ich sah, wie die anderen drei Patrouillen sofort in ihrer Arbeit innehielten und einander anschauten, als überlegten sie, ob das vielleicht der Plan war, den auch sie hätten ve r folgen sollen.
Eine halbe Stunde später war mir klar, dass wir nicht genug Seil für eine Brücke von der Art hatten, wie sie mir vorgeschwebt hatte. Die Schößlinge, die direkt am Rande der Böschung standen, waren zu mickrig, um u n ser Gewicht auszuhalten; wir hatten bereits drei von i h nen entwurzelt. Die, die weiter hinten standen, waren zu weit weg; für sie r eichte das Seil nicht. Ich war mind e stens viermal durch den Bach hin und zurück gewatet, um irgendeine Stelle zu finden, an der man das Seil in der Uferböschung selbst verankern konnte. Trist hatte sich zu meiner Überraschung mit großem Eifer an dieser Suche beteiligt. Er war zwar nicht in die schlammige Kloake gestiegen, aber er war fast genauso verdreckt wie ich nach seinen Versuchen, das Seil an verschiedenen Sträuchern festzubinden, die schon bei der ersten Bel a stungsprobe entwurzelt worden waren. Gord hatte sich das Seil um den Wanst geschlungen und versucht, die Seilbrücke mittels seines Gewichts zu halten; aber auch das hatte nicht funktioniert. Oron war einmal in den Bach geplumpst, Rory zweimal. Unsere Zeit lief langsam ab. Der einzige Trost, den wir hatten, war, dass die anderen Patrouillen sich auch nicht geschickter anstellten als wir. Hätte ich meinen Plan mit der Seilbrücke nicht so laut hinausposaunt, hätte ich vielleicht unser langes Brett g e gen das Seil einer anderen Patrouille tauschen können, aber dazu war es jetzt zu spät.
Ich setzte mich einen Moment, um zu Atem zu ko m men. Selbst als wir vier Mann an jedes Seilende gestellt und das lange Brett als Balancierstange benutzt hatten, war es uns nicht gelungen, Spink heil über den Bach zu kriegen. Bei Gord mit seinem gewaltigen Gewicht wäre das schon gar
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