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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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behände und kam langsamer voran. Als Caleb hinüberging, löste sich eines unserer Querhölzer und fiel hinunter in den Matsch. Wir verloren zwei weitere, als Nate hinüberging. Kort gelangte ohne Zwischenfall auf die andere Seite. Als ich an der Reihe war, signalisierte ich den anderen, dass sie vorausgehen sollten. Ich hatte beschlossen, als Letzter hinüberzugehen. Mein Vater hatte mir oft gesagt, dass ein Offizier Autorität delegieren kann, aber nicht Verantwortung. Wenn meine Brücke zusammenkrachte, würde das womöglich meine einzige Erfahrung als Off i zier bleiben. Ich würde es richtig machen.
    Und so stellte ich mich denn auf die Seile, um ihnen zusätzlichen Halt zu verleihen, und sagte zu Gord: »Geh rüber. Bis jetzt hat sie gehalten. Wir müssen Vertrauen in unser Werk haben.«
    Er nickte mir mit ernstem Gesicht zu. Schon jetzt standen ihm Schweißperlen auf der Stirn. Er nahm die Balancierstange und trat auf die Brücke.
    Ich hätte ihn als Ersten rüberschicken sollen, schoss es mir durch den Kopf, als unsere Konstruktion noch die größte Stabilität besaß und alle Trittstufen noch an ihrem Platz waren. Die anderen Patrouillen hatten alle Vers u che, ihre Konstruktionen fertigzustellen, aufgegeben, und waren gekommen, um Gord anzuglotzen. Unterdrücktes Gekicher war zu hören, als er sich in Bewegung setzte, denn die Seile spannten sich und knarrten bedenklich unter seinem Gewicht. Die Brücke hing tief durch, als er sich der Mitte näherte, und zwei der Querhölzer lösten sich mit einem schnappenden Geräusch und schnellten in die Höhe, als wären sie von einer Schleuder abgescho s sen worden.
    »Nichts macht Schweinefleisch besser, als es ein paar Tage hängen zu lassen!«, stichelte einer, und ich sah, wie Gords Ohren rot anliefen.
    »Konzentrier dich ganz auf deine Aufgabe!«, schrie ich zu ihm hinüber. Er nickte kaum merklich. Er machte drei weitere Schritte, dann noch einen, und noch einen … Auf der anderen Seite versuchte unsere gesamte Patroui l le, sich auf die Seilenden zu stellen, um sie noch besser zu verankern. Ich fühlte, wie die Seile unter meinen F ü ßen sich bis zum Zerreißen spannten. Gord machte einen großen Schritt über eine Lücke zwischen zwei Brettern, schaffte es auf das nächste, und dann schlug es plötzlich unter seinem Gewicht um. Er fiel hart auf die Seile, f e derte zurück und stürzte kopfüber in den Matsch, mit dem Gesicht zuerst. Er gab einen unterdrückten Schrei von sich, als er aufschlug, und der entsetzliche Gedanke durchfuhr mich, er könne sich das Genick gebrochen h a ben. Dieser Stich war genauso schmerzhaft wie das Wi s sen, dass wir durchgefallen waren. Durchgefallen – im wahrsten Sinne des Wortes. Wir würden ausgesondert werden. Das wusste ich mit einer solchen Klarheit, wie ich meinen eigenen Namen wusste. Und also erfüllte ich meine letzte Pflicht in meiner kurzen Karriere als Off i zier. Ich krabbelte erneut die schlammige Uferböschung hinunter und watete in den Matsch, um zu sehen, ob mein Soldat verletzt war.
    Als ich Gord erreichte, hatte er es schon geschafft, sich aufzusetzen. Dreck und Schneematsch liefen an se i nem Gesicht herunter. Bei dem Versuch, es wegzuw i schen, verschmierte er es nur noch mehr. Er stöhnte vor Schmerzen, aber als ich ihn fragte, ob etwas gebrochen sei, schüttelte er den Kopf. Ich half ihm auf die Beine und schaute hinüber zu Hauptmann Maw. Er stand i m mer noch auf der Uferböschung und sah zu uns herunter. Dabei blickte er erneut auf seine Taschenuhr, die er flach auf seiner geöffneten Hand liegen hatte. Und plötzlich begriff ich.
    »Kletter die Böschung rauf!«, schrie ich Gord an. Er sah mich an, als sei ich übergeschnappt. Er wollte sich umdrehen und zurück zu unserer Uferseite waten. Ich bekam einen Zipfel seiner Jacke zu fassen und hielt ihn fest. »Nein, nicht da! Hier, auf dieser Seite! Wir müssen den Bach überqueren. Wir müssen unsere Patrouille über den Bach kriegen. Das war die Aufgabe. Nicht, eine Brücke zu bauen. Den Bach zu überqueren!«
    Ich hatte meine Erkenntnis laut ausgesprochen, so laut, dass alle es hören konnten. Plötzlich fiel der Groschen auch bei den anderen Patrouillen. Aber sie zögerten noch; das schmutzige und eiskalte Wasser w ar ein a b schreckendes Hindernis. Als sie endlich losrannten, b e gann Gord, sich die andere Uferböschung hinaufzuwuc h ten. Die Grasbüschel und Wurzeln, an denen er sich fes t zuhalten versuchte, gaben unter seinem Gewicht sofort

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