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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Keiner schien zu merken, dass ich ging, oder sich zu fragen, warum ich zu Maw musste.
    Die Sonne war hinter den fernen Hügeln untergega n gen, ihre karge Wärme floh mit dem Anbruch der Nacht. Der Campus war eine Landschaft aus grauem Schnee und schwarzen Baumskeletten. Die in unregelmäßigen A b ständen aufgestellten Laternen warfen Kreise aus mattem gelbem Licht. Ich hatte den Eindruck, mich von Insel zu Insel zu bewegen, und fühlte mich plötzlich an meine Reise von Säulenkuppe zu Säulenkuppe erinnert, in dem Traum, in dem ich zum ersten Mal der Baumfrau bege g net war. Ein solcher Gedanke am Dunkelabend hätte ausgereicht, um jedem einen Schauer über den Rücken zu jagen, und ich zitterte.
    Maw war in seinem Büro gleich neben dem Klasse n zimmer und wartete auf mich. Die Tür war angelehnt. Ich klopfte und wartete, bis er mich h ereinbat. Ich trat ein, grüßte und verharrte in Hab-Acht-Stellung, bis er mich mit einer Geste einlud, Platz zu nehmen. Das Büro war genauso kalt wie das übrige Gebäude, aber Maw schien sich wohlzufühlen. Er schob ein paar Papiere zur Seite, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, und blickte mit einem Seufzen auf, das von einem seltsamen Lächeln begleitet war. »Gut. Kadett Burvelle, Sie sehen um einiges sauberer aus als bei unserer letzten Bege g nung.«
    Ich brachte kein Lächeln zustande, das dem seinem entsprochen hätte. Mir schwante Schlimmes. »Jawohl, Sir«, war alles, was ich herausbekam. Er schaute mich an und blickte dann auf die Papiere auf seinem Schreibtisch. Er schob sie ein wenig zurecht, bis sie exakt übereina n derlagen, und sagte dann: »Erinnern Sie sich an unser kurzes Gespräch vor einigen Monaten?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Hat der Gedanke inzwischen an Reiz für Sie gewo n nen?«
    »Das kann ich nicht behaupten, Sir.«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und seuf z te erneut. Plötzlich lehnte er sich zurück und schaute mir direkt in die Augen. Es kam mir vor, als habe er einen Vorhang zwischen uns fallen lassen, als er sagte: »Ein Mann sieht sich in seinem Leben mit vielen schwierigen Aufgaben konfrontiert, Burvelle. Und wenn er die Obhut über vielversprechende junge Männer e r hält und weiß, dass die Entscheidungen, die er trifft, ihre Zukunft oder sogar ihr ganzes Leben bestimmen kö n nen, nun, dann sind dies die schwierigsten Entscheidu n gen von allen. Sicher wissen Sie, dass eine Aussond e rung bevorsteht – Gerüchte gab es ja genug. Die Kade t ten wissen solche Dinge immer. Ich weiß nicht, warum wir so tun, als seien sie ein Geheimnis oder eine Übe r raschung.«
    Ich gab keine Antwort, und nach einem Moment fuhr er fort. »Das Militär hat sich verändert, Burvelle. Das musste es auch. Ihr eigener Vater war maßgeblich am ersten Teil dieser Veränderung beteiligt, als er die Grü n dung dieser Akademie vorantrieb. Eine Akademie wie diese, als Fundament für die Offizierskarriere, das bede u tet, dass die Ausbildung wichtiger sein kann als die He r kunft. Das war eine sehr unpopuläre Idee, müssen Sie wissen. Wir mussten in unserem Krieg gegen Landsang eine herbe Niederlage einstecken, eine sehr herbe Niede r lage. Wir hatten uns zu fest an unsere Traditionen g e klammert; wir setzten unsere Männer, unsere Schiffe und unsere Kavalla so ein, als würden wir noch immer mit Schwertern und Speeren und Katapulten kämpfen. Sold a tensöhne seien zum Soldaten geboren, sagten wir; den Gedanken, dass sie zum Kämpfen ausgebildet werden müssten, hielten wir für töricht. Und nach der gleichen Logik waren die Söhne von Edelleuten natürlich gebor e ne Offiziere, die einer Ausbildung für diese Aufgabe nicht bedurften. Zu jenen Zeiten wurden alle Offiziersp a tente gekauft oder vererbt. Die Ausbildung, die wir uns e ren Offizieren mit auf den Weg gaben, galt mehr dem Ziel, eine bestimmte Haltung zu formen, als dem, ihnen die Grundlagen strategischen Denkens und Handelns zu vermitteln. Sechs Monate Schliff, und dann warfen wir unsere jungen Leutnante ins kalte Wasser. Das Krieg s kolleg! Hat jemals eine Institution einen derart irrefü h renden Namen getragen? Man hätte es den Gentlemens Club nennen sollen. Zu wissen, wie man einen Wein beim Verkosten kritisch würdigt oder wie man beim Ka r tenspiel brilliert, hielt man für wichtiger, als eine Ahnung davon zu haben, wie man ein Regiment auf verschied e nen Arten von Terrain operieren lässt. Heute bilden wir euch aus und setzen euch euren Fähigkeiten entsprechend ein. Was nicht

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