Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
selten dazu führt, dass die Söhne von ne u em Adel in bessere Positionen aufsteigen als ihre Vettern aus dem alten Adel. Oder dass sogar gemeine Soldaten aufsteigen und Befehlsgewalt über wohlgeborene Sold a tensöhne erhalten. General Brodg, der zum Befehlshaber im Osten ernannt wurde, ist der Sohn eines gemeinen Soldaten. Das geht vielen gegen den Strich, Burvelle. Es verletzt die Gefühle vieler Ede l leute.«
Ich war bestürzt über das, was er sagte. Dennoch nic k te ich einmal, während ich mich gleichzeitig fragte, wo r auf er wohl hinauswollte.
»Wir haben uns verändert«, sagte er und lehnte sich mit einem Seufzen zurück. »Und es hat uns Erfolg g e bracht, zumindest gegen die Flachländer. Es bleibt noch abzuwarten, wie gut wir gegen die Landsänger aussehen würden, sollte man uns diesen Versuch je unternehmen lassen. Manche finden, wir sollten es darauf ankommen lassen. Manche finden, der König verschwendet seine Zeit, wenn er seinen Blick nach Osten auf die Ödlande richtet und eine Straße baut, die nur zu einem unübe r windbaren Gebirge führt. Viele meinen, wir sollten u m kehren und unsere Streitkräfte gegen die Landsänger wenden und unsere Küstengebiete und Seehäfen zurüc k erobern.«
Ich blieb stumm. »Was denken Sie, Kadett Burvelle?«, lockte er mich aus der Reserve.
»Ich denke, es steht mir nicht zu, meinem König Ratschläge zu erteilen, Sir. Die Straße wird zum Gebirge führen und schließlich über es hinweg zu dem Meer, das dahinter liegt.«
Er nickte bedächtig, den Mund zu einem säuerlichen Lächeln geschürzt. »Gesprochen wie ein echter Sohn von neuem Adel, Kadett. Die Straße, der mögliche Seehafen, der theoretische Handel, all das zusammengenommen könnte Ihre Familie sehr wohl reicher machen, als Ihr Vater es sich in seinen kühnsten Träumen je erhofft hat. Aber was ist mit den alten Edelleuten, die bedeutende Besitztümer verloren, als König Trovens Vater kapit u lierte und ihre Ländereien an der Küste an die Landsä n ger abtrat? Was ist mit den alten Edelleuten, die jetzt in vornehmer Armut leben, der Steuern beraubt, die einst ihre Familien alimentierten? Haben Sie jemals an die gedacht?«
Nein, das hatte ich nicht. Das musste mir wohl im G e sicht geschrieben stehen, denn Maw nickte. Dann sagte er in sehr bedächtigem Ton: »Wir hier an der Akademie müssen für eine gewisse Ausgewogenheit sorgen. Der König ist der König, keine Frage. Das Militär gehorcht ihm und schuldet ihm Rechenschaft. Aber es wird g e führt und befehligt von den Söhnen seiner alten und ne u en Edelleute. In jedem Jahr gibt es jedoch nur eine b e grenzte Anzahl von Vakanzen aufzufüllen. Zu viele Sö h ne von altem Adel, und die Waagschale neigt sich in die eine Richtung. Zu viele Söhne von neuem Adel, und sie neigt sich in die andere. Wir hier an der Akademie vers u chen nicht, mit unserem Handeln Einfluss auf die Politik zu nehmen. Wir streben vielmehr danach, das Militär in neutralem Gleichgewicht zu halten. Ich versichere Ihnen, dass dies so ist.«
Ich antwortete sehr langsam, wohl wissend, dass me i ne Worte nicht respektvoll waren, wohl wissend, dass ich ihretwegen von der Akademie relegiert werden konnte. Ich wusste freilich auch, dass es keine Rolle mehr spielte. »Und deswegen werden Sie eine Patrouille von Söhnen neuer Edelleute aussondern. Um sicher zu sein, dass der gegenwärtige Jahrgang die Söhne von altem Adel nicht zahlenmäßig übersteigen wird.«
Er nickte bedächtig. »Sie haben ein Talent dafür, Z u sammenhänge zu erkennen, Nevare. So wie heute. De s halb habe ich Ihnen seinerzeit diesen Vorschlag g e macht.«
»Und Sie werden meine Patrouille eher aussondern als die von neuem Adel aus Haus Skeltzin.«
Er nickte erneut.
»Warum? Warum uns und nicht sie?«
Er lehnte sich zurück, legte die Faust auf das Kinn und holte tief Luft. Schließlich sagte er: »Weil das so zu B e ginn des Jahres beschlossen wurde. Als Oberst Stiet die Akademie übernahm, legte er die Entscheidung in die Hände des Beratungsausschusses. Das geschah natürlich ausgesprochen diskret. Es geschieht immer diskret. S e hen Sie sich Ihre Patrouille an, und sie können die Krit e rien erkennen. Ein paar sind die Söhne von neuen Ede l leuten, die über keinerlei Macht verfügen. Andere sind die Söhne von neuen Edelleuten, die auf dem Wege sind, zu viel Macht zu erlangen. Sie selbst wurden auf beso n deren Wunsch auf die Liste gesetzt. Eine Gefälligkeit unter alten
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