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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Ich versuchte, ruhig und tief durchzuatmen, um mich wieder einigermaßen zu beruhigen und in den Griff zu bekommen. Sofort fühlte ich einen Würgereiz in mir hochsteigen. Ich schluckte, schloss die Augen und atmete wieder flacher.
    Ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrich, bis ich mir en d lich eingestand, dass ich wirklich krank war. Es schien mir nur angemessen, dass ich mich körperlich ebenso elend fühlte wie psychisch. Auf der anderen Seite des Flures konnte ich Trist würgen hören. Ich döste ein und wurde wach von einer Hand auf meiner Stirn. Als ich mich umdrehte, schaute Doktor Amicas auf mich herab. »Der hier auch«, sagte er zu jemandem. »Wie ist sein Name?«
    »Nevare Burvelle«, hörte ich Spink sagen. Eine Feder kratzte über Papier.
    Als der Doktor sah, dass meine Augen geöffnet waren, sagte er: »Zählen Sie mir alles auf, was Sie am Dunke l abend zu sich genommen haben. Lassen Sie nichts weg.«
    »Ich habe Caulder den Schnaps nicht gegeben«, stieß ich verzweifelt hervor. »Das Einzige, was ich getan habe, war, ihn nach Hause zu schaffen. Wie Sie es mir aufg e tragen haben. Er lag bewusstlos am Boden, als ich ihn fand.«
    Doktor Amicas beugte sich herunter und schaute mir ins Gesicht. »Ach. Sie waren das also gestern Nacht. Sie schulden mir noch das Geld für die Droschke, Kadett, aber das ist jetzt erst einmal nebensächlich. Ich habe Caulder heute Morgen gesehen. Der schlimmste Fall von Alkoholvergiftung, den ich je bei einem Jungen seines Alters gesehen habe. Aber er wird es überleben. Es wird ihm freilich noch eine Weile ziemlich dreckig gehen. So, und nun sagen Sie mir, was Sie gegessen und getrunken haben.«
    Ich versuchte, mich zu erinnern. »Eine Kartoffel. Fleisch am Spieß. Dann noch was anderes. Ach ja. K a stanien. Ich habe Kastanien gegessen.«
    »Und was haben Sie getrunken?«
    »Nichts.«
    »Sie werden deswegen keinen Ärger bekommen, K a dett. Ich muss es nur wissen. Was haben Sie getrunken?«
    Ich hatte es langsam satt, ständig für einen Lügner gehalten zu werden. Doch statt wütend zu werden, war mir eher zum Heulen zumute. Mir tat alles weh. »Nichts«, sagte ich erneut. »Ich habe nichts getrunken. Und Caulder hat gelogen, was mich betrifft.«
    »Caulder lügt viel, wenn der Tag lang ist«, bemerkte der Doktor in einem Ton, als wolle er sagen, dass ihn das nicht weiter überraschte. »Können Sie sich allein auszi e hen und ins Bett legen, Kadett? Oder brauchen Sie Hi l fe?«
    Ich betastete meine Brust und stellte überrascht fest, dass ich noch immer angezogen war. Als ich begann, an meinen Knöpfen herumzunesteln, nickte der Doktor z u frieden. Ich hörte, wie jemand würgte. Es klang ziemlich nah. Der Doktor legte die Stirn in Falten und sagte in strengem Ton – und erst jetzt sah ich, dass er einen Ass i stenten bei sich hatte: »Und da ist noch einer. Ich möc h te, dass dieses ganze Stockwerk unter Quarantäne gestellt wird. Nein. Ich will, dass das ganze Haus unter Quara n täne gestellt wird. Gehen Sie sofort runter und sagen Sie Sergeant Rufet, er soll eine gelbe Fahne an der Tür hi s sen. Niemand darf mehr rein oder raus.«
    Dem Tempo nach zu urteilen, in dem er flüchtete, war der Assistent froh, dass er gehen durfte. Ich setzte mich auf, um mir die Stiefel auszuziehen, und das Zimmer b e gann sich um mich herum zu drehen. Nate und Kort l a gen beide auf ihrer Koje. Nate hing mit dem Kopf nach unten über den Rand seiner Matratze und kotzte in eine auf dem Boden stehende Schüssel. Kort regte sich nicht. Ein bange dreinschauender Spink stand am Fenster, die Arme über der Brust verschränkt. Verbissen machte ich mich an die mühevolle Aufgabe, mein Hemd auszuzi e hen.
    »Doktor Amicas! Was machen Sie hier? Ich habe Sie vor mehr als einer Stunde rufen lassen!«
    Ich zuckte zusammen. Es war die Stimme von Oberst Stiet. Als er mit knallenden Stiefelabsätzen in das Zi m mer gestürmt kam, fragte ich mich, ob dies alles vie l leicht nur ein böser Traum war. Der Oberst machte einen gleichermaßen bestürzten wie wütenden Eindruck. Sein Gesicht war hochrot vor Anstrengung. Offenbar war er die Treppe im Eiltempo heraufgestürmt. Der Doktor sa g te kurzangebunden: »Herr Oberst, entfernen Sie sich u n verzüglich aus diesem Gebäude, oder Sie riskieren, z u sammen mit mir und diesen Kadetten unter Quarantäne gestellt zu werden. Wir haben es hier mit einer ernsten Situation zu tun, eine, der ich nicht mit halbherzigen Maßnahmen begegnen möchte. Ganz Alt-Thares

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