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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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besuchen kamen und dass Epiny die deformierten Füße der Hühnerfrau hatte. Als sie auf ihrer kleinen Pfeife blies, gab diese gackernde Geräusche von sich.
    Aber die Momente, die mich am meisten beunruhi g ten, waren weder Fieberträume noch die kurzen Real i tätsfetzen aus dem Siechenzimmer. Für mich gab es noch eine andere Welt, eine Welt, die tiefer war als die Fiebe r träume und weit realer. Mein Körper lag im Bett und glühte vor Fieber, aber mein Geist wandelte durch die Welt der Baumfrau. Ich beobachtete mein anderes Ich dort, und ich erinnerte mich klar und deutlich an die Ja h re, die ich bei ihr verbracht hatte, seit sie mich weiland beim Haarschopf gepackt und nach oben und in ihre O b hut gezogen hatte. Mein wahres Ich war ein blasser Geist, der durch ihre Welt schwebte und an ihren Geda n ken teilhatte, aber nichts, das sie fürchteten oder auch nur beachteten. In jener Welt war mein bezopftes Ich seit vielen Jahren ihr Schüler, und nun war ich ihr Geliebter. Tag für Tag hatte sie mich die Magie des Volkes gelehrt, und Tag für Tag hatte sie mich in dieser Magie gestärkt und mich in ihrer Welt realer werden lassen. Wir w aren durch ihren Wald gewandert, und ich hatte den unerset z lichen Wert ihrer Bäume und ihrer Wildnis kenneng e lernt. Ihre Welt war die meine geworden, und ich war zu der Erkenntnis gelangt, dass keine Maßnahme in dem Krieg, sie zu schützen und zu bewahren, zu extrem sein konnte.
    Und in ihrer Welt liebte ich sie mit tiefer und echter Leidenschaft. Ich liebte die Üppigkeit ihres Fleisches und die Erdigkeit ihrer Magie. Ich bewunderte ihre Treue und ihre Entschlossenheit, das VOLK und seine Lebensart zu bewahren. Ich teilte die Hingabe, mit der sie sich ihrer Sache widmete. In jenen Träumen ging ich neben ihr und lag ich neben ihr, und in der sanften Dunkelheit der Waldnacht schmiedeten wir Pläne, wie wir unser Volk retten würden. Wenn ich bei ihr war, war alles klar. Ich wusste, dass ich ihr eine Freude gemacht hatte, als ich den Flecktänzern das Zeichen gegeben hatte, die Magie »loszulassen«. Ich wusste, dass die Tänzer gar keine G e fangenen gewesen waren, sondern die machtvollsten Tänzer der Magie, die das Volk entbehren konnte. Sie waren gekommen, um mein Soldatenjungen-Ich zu s u chen. Sie hatten ihren Kompass auf dieses Ich ausgeric h tet, um den Ort zu finden, wo die Eindringlinge ihre Krieger ausbildeten. Und als sie mich gefunden hatten, hatte mein anderes Ich meine Hand ergriffen und das Zeichen gemacht, und sie hatten den Staub der Krankheit losgelassen.
    Zu Pulver zerriebener Kot. Das war es gewesen. Für mein gernisches Ich war es eine widerwärtige, eklige Magie, doch für den Gehilfen der Baumfrau war es so natürlich wie das Atmen. Es war dem VOLK sehr wohl bekannt, dass eine geringe Menge zerstoßenen Kots von einer kranken Person, wenn er von einem Kind aufg e nommen wurde, dieses krank machte, aber nur in einer ganz milden Form, und dass das Kind danach nie wieder der tödlichen Seuche zum Opfer fallen würde. Aber in großer Menge eingenommen, so hatten sie festgestellt, konnte der Staub einen ganzen Außenposten der Ei n dringlinge anstecken, ihre Krieger und ihre Frauen gle i chermaßen dahinraffen und die Arbeiter auslöschen, die die Straße durch das Fleisch des Waldes trieben.
    In ihrer Welt akzeptierte ich fraglos die Mission, die ich künftig erfüllen würde. Ich würde in das Fleisch des Soldatensohnes eindringen. Ich würde eine Veränderung durchmachen und er werden. Und ich würde den Staub des Todes verbreiten – nicht bloß in dem großen Haus, in dem sie ihre Krieger heranzüchteten, sondern auch in ihren von steinernen Wällen umgebenen Siedlungen, und sogar bis zu den Gekrönten, die sie regierten. Auf diese Weise würde ich die Magie werden, die die Eindringli n ge zurückschlug und das VOLK rettete.
    All dies wusste ich mit großer Klarheit, wenn ich a u ßerhalb meines leidenden Körpers wandelte. Jedes Mal wenn ich als mein wahres Ich in mein gepeinigtes Fleisch zurückkehrte, war ich ein Stück schwächer. Jedes Mal geisterten Spuren jenes anderen Lebens und des Wissens aus jener Welt durch mein fiebergeplagtes Hirn.
    An meinem dritten Krankheitstag erholte ich mich während des Tages kurzzeitig. Doktor Amicas schien erfreut, mich wach zu sehen, aber ich teilte seinen Opt i mismus nicht. Meine Augenlider waren verkrustet und wund, desgleichen meine Nasenlöcher. Die Krankheit schärfte alle meine Sinne in

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