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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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übernatürlichem Maß. Die groben Laken und die Wolldecken waren eine Folter. Ich drehte den Kopf zu Spink, weil ich ihn fragen wollte, ob Oron sich erholt hatte, aber seine Augen waren geschlo s sen, und sein Atem ging rasselnd. Nate lag immer noch in dem Bett zu meiner Rechten. Er sah schrecklich aus. In den wenigen Tagen hatte die Krankheit das Fleisch von seinen Knochen gefressen, und das Fieber schien ihn von innen heraus zu verzehren. Sein Mund stand offen, während er atmete, und Schleim rasselte in seinen Bro n chien. Es war schrecklich anzuhören, und ich konnte dem Geräusch nicht entrinnen. Der Tag rauschte eintönig an mir vorüber. Ich versuchte, ein Mann zu sein. Ich trank das bittere Kräuterwasser, das sie mir brachten, erbrach es wieder und trank dann den nächsten Schluck. Es gab nichts anderes zu tun als im Bett zu liegen und krank zu sein. Ich hatte nicht genügend Kraft, um ein Buch zu ha l ten, und selbst wenn, wäre ich zu schwach gewesen, um mich auf den Text zu konzentrieren. Niemand kam mich besuchen. Weder Spink noch Nate waren in der Verfa s sung, dass sie mit mir hätten sprechen können. Ich hatte das Gefühl, dass es da etwas Wichtiges gab, das ich i r gendjemandem hätte erzählen sollen, aber ich konnte mich nicht erinnern, was es war, und wer derjenige war, dem ich es erzählen sollte.
    Ich redete mir ein, ich würde stärker werden, doch als die Sonne unterging und die Nacht anbrach, kehrte das Fieber zurück. Erneut fiel ich in einen Schlaf, der weder erholsam noch eigentlich Schlaf war. Meine Träume u m schwirrten wie geflügelte Dämonen mein Bett, und ich konnte ihnen nicht entkommen. Ich erwachte aus einem Traum, in dem i ch in dem Monstrositätenzelt eing e schlossen war, und fand mich auf der abgedunkelten Krankenstation wieder. Abrupt setzte ich mich auf und sah, dass Spink keine Hände und Arme hatte, sondern nur Flossen. Als ich versuchte, aus meinem Bett zu ste i gen, merkte ich, dass ich keine Beine hatte. »Ich trä u me!«, schrie ich, und der Krankenwärter kam herbeig e eilt, um mich daran zu hindern, dass ich aus dem Bett sprang. »Ich träume nur! Meine Beine sind in Ordnung! Ich träume nur!«
    Ich erwachte vor Kälte zitternd aus diesem Albtraum und stellte fest, dass mein Kopf auf einem Kissen ruhte, das mit Schnee vollgestopft war. Ich versuchte, es aus meinem Bett zu werfen, aber Doktor Anikas kam und schimpfte mit mir. »Es soll Ihren heißen Kopf kühlen. Es kann vielleicht das Fieber brechen. Legen Sie sich wieder zurück, Burvelle, legen Sie sich zurück.«
    »Ich habe Caulder keinen Schnaps gegeben. Sie mü s sen das dem Oberst sagen! Ich war das nicht!«
    »Natürlich nicht, natürlich nicht. Und jetzt legen Sie Ihren Kopf wieder auf das Kissen, damit er kühl bleibt. Das Fieber verbrennt Ihnen sonst das Gehirn. Liegen Sie still!«
    Der Doktor drückte mich zurück in die kalte Uma r mung des dicken Mannes. »Ich war in der Kavalla!«, b e teuerte der Mann. »Zu schade, dass du kein Soldat sein kannst wie ich. Du kannst jetzt gar nichts mehr sein. Nicht einmal ein Kundschafter. Vielleicht kannst du ja als dicker Mann in einer Schaubude auftreten. Alles, was du dafür tun musst, ist essen, essen und noch einmal e s sen. Du isst doch gerne, nicht wahr?«
    Ich fuhr auf. Die Weichheit des kalten Kissens hatte eine Erinnerung in mir geweckt. Es war Nacht im Kra n kenrevier. Trübe Lampen brannten, und in den Betten wälzten sich schattenhafte Gestalten hin und her. Ich hielt fest, was ich wusste, begierig es mitzuteilen, um meinen künftigen Verrat an meinem Volk abzuwenden. »Doktor!«, schrie ich. »Doktor Amicas!«
    Jemand in einem Arztkittel kam an mein Bett geeilt. Es war nicht Doktor Amicas. »Was ist? Haben Sie Durst?«
    »Ja. Nein. Es war der Staub, Herr Doktor. Der Staub, den sie benutzt haben. Getrocknete und zu Pulver zerri e bene Scheiße von einem Kranken. Um uns alle anz u stecken. Um uns alle zu töten.«
    »Trinken Sie etwas Wasser, Kadett. Sie fantasieren.«
    »Sagen Sie es Doktor Amicas«, beharrte ich.
    »Natürlich. Trinken Sie das hier.«
    Er hielt mir eine Tasse an den Mund – reines, kühles Wasser, und ich trank es in hastigen Schlucken. Es li n derte das Brennen in meinem Mund und meiner Kehle. »Danke«, sagte ich. »Danke.« Und dann sank ich wieder zurück, in Fieberträume von einer endlosen Kutschfahrt in jene andere Welt.
    Die Baumfrau schüttelte den Kopf. Wir saßen zusa m men an einem schattigen Plätzchen zwischen

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