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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bevor sie sich in Luft au f lösten. Ich sah, wie Sergeant Rufet diesen Weg ging. Er zerfloss am Fuße eines Stumpfes und hinterließ eine gr ö ßere Nebelpfütze als die meisten anderen.
    Und dann sah ich die Baumfrau und mein anderes Ich. Sie stand auf der Kuppe eines Hügels, dort, wo sich die noch ungerodeten Bäume erhoben, mit dem Rücken zu einem der ragenden Riesen, und schaute zu uns herab. Sie beobachtete uns von ihrer hohen Warte aus, aber ich wusste auch, dass sie sich nicht weit von dem lebendigen Wald entfernen konnte. Das tat mein anderes Ich für sie. Es pirschte wie ein Jäger zwischen den treibenden Ge i stern auf dem kahlgeschlagenen Hang umher. Seine Konzentration ließ es weit wirklicher erscheinen als die wandelnden Geister. Es bewegte sich zielstrebig, ein Raubtier, das im Begriff ist, seine Beute zu schlagen.
    Die Baumfrau spornte es – ihn – von oben an. »Oh ja! Hol dir den da! Schnell, bevor er verschwindet! Er hatte viel mehr Macht, als ihm bewusst war, viel mehr Wei s heit. Aber er hatte keinen Baum, in den er diese hätte legen können; die Toren haben nie gelernt, einen Ort zu suchen, an dem sie ihre Magie hätten aufbewahren kö n nen. Nun mach schon! Spute dich und verzehre seine Magie, bevor sie dahinschwindet und sich in Luft au f löst! Eure Leute haben wenig Magie in sich. Du wirst viele verschlingen müssen, bevor du satt bist. Iss!«
    Jenes andere Ich, das trotz der Antipathie, die ich für es empfand, irgendwie immer noch in mir war, beeilte sich, ihr zu gehorchen. Es – er – war gewachsen, und an jenem Orte der Geister erschien er wirklich, stofflich. Er hatte einen dicken Bauch und war wohlgenährt. Blätter waren seine einzige Kleidung. Seine Skalplocke war mit Pech eingeschmiert und zu einem Zopf geflochten, in den grüne Ranken eingewoben waren. Er stürzte zu der Pfü t ze, die einst Sergeant Rufet gewesen war, und kniete sich davor. Mit beiden Händen schöpfte er die weiße Flüssi g keit auf, bevor sie im Erdreich versickerte. Diesmal b e nutzte er keine aus einem Blatt geformte Schale. Stat t dessen neigte er – mein anderes Ich – den Mund zu se i nen zu einer Schale geformten Händen und schlürfte gi e rig den dickflüssigen Brei auf, der Sergeant Rufets Seele gewesen war. Für einen Moment war ich er. Ich spürte die klebrige Masse an meinen Händen und me i nem Kinn, und ich fühlte, wie ich mich an Sergeant R u fets Essenz stärkte.
    Magie. Ich füllte mich mit Magie. Ich würde ein gr o ßer Mann sein, wenn ich genug Magie erlangte. Wenn ich mich mit der Magie füllte, konnte ich die Eindrin g linge abwehren und das Volk retten. Für jenen kurzen Moment deckte sich sein Ehrgeiz mit meinem, und ich verstand ihn vollkommen. Ich war von entscheidender Bedeutung. Ich war die Kreuzung, das Verbindung s stück. In mir würden sich die Magie des VOLKES und die Magie der Eindringlinge vereinen. Aus dieser Vere i nigung würde die Antwort kommen. Die Baumfrau wus s te, dass ihre Magie allein die Eindringlinge niemals wü r de aufhalten können. Sie würde mit der Magie der Ei n dringlinge vermählt werden müssen, denn nur die eigene Magie eines Volkes verstand die Schwächen dieses Vo l kes gut genug, um sie besiegen zu können. Die Magie des VOLKES konnte die Eindringlinge aufhalten, aber es bedurfte ihrer eigenen Magie, der Magie der Eindringli n ge, der Magie, die in ihren Knochen und ihrem Fleisch lebte und niemals wirklich starb, um sie endgültig zu b e siegen und sie dorthin zurückzujagen, woher sie geko m men waren.
    Das war das Ziel der Baumfrau.
    Und es war auch meines, während ich das Bewusstsein jenes anderen Ichs teilte. Denn es – er – liebte das VOLK, wie ich meine eigene Art nie geliebt hatte.
    Dieser Gedanke durchfuhr mich jetzt, und in meinem fernen Körper spürte ich ein Zucken und ein Stechen. Ich glaube, dieses winzige Lebenszeichen lenkte die Au f merksamkeit der Baumfrau auf mich. Sie hatte zufrieden zugeschaut, wie mein anderes Ich Sergeant Rufet ve r schlang. Ihr Blick schweifte über die kummervolle Me n ge, die sich langsam über die Brücke schob, wie Vieh, das zur Schlachtbank geführt wurde. Dann sah sie mich, der ich immer noch auf der Brücke stand. Fast hatte ich ihre Seite des Abgrundes erreicht, wo, wie ich jetzt sah, das Ende der Brücke von einem Kavallasäbel gehalten wurde, der in den steinigen Boden gerammt worden war. Die Waffe war mir vertraut. Sie hatte einmal mir gehört. Dewara hatte mir gezeigt, wie man sie

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