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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gegenüber eingestehen wollte.
    Epiny wartete eine Weile, bevor sie mich für gefestigt genug befand, um mir bestimmte Neuigkeiten mitteilen zu können. Sie war schlimmer als die Krankenschwester. Sie machte mich fast wahnsinnig damit, dass sie auf eine in ihrer Plumpheit nur allzu leicht zu durchschauende Weise das Thema wechselte, sobald ich sie nach Neui g keiten über meine Freunde fragte. Eines Tages, als sie mich durch ihre Weigerung, mir auf meine wiederholten Fragen eine Antwort zu geben, so sehr aufgeregt hatte, dass ich beinahe einen Erstickungsanfall bekam, ließ sie sich dann endlich erweichen. Sie schloss die Tür, setzte sich an mein Bett, nahm meine Hände und erzählte mir, was sich während der zehn Tage, die aus meinem Leben verschwunden waren, zugetragen hatte.
    Sie begann mit dem, was sie »das Prosaische« nannte. Spink hatte überlebt und war auf dem Wege der Bess e rung, aber die Krankheit hatte ihren üblichen Tribut von ihm gefordert. Er war abgemagert bis auf die Knochen und immer noch so schwach, dass er nicht stehen konnte. Er lag immer noch im Krankenrevier der Akademie. Sie hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, ihn zu besuchen, stand aber mit ihm in brieflichem Kontakt. Ihr Vater ha t te ihrer Mutter verboten, die Briefe abzufangen. Die Briefe, die er ihr schickte, waren kurz. Seine Gelenke waren geschwollen, und selbst kleine Bewegungen bere i teten ihm starke Schmerzen. Doktor Amicas hatte ihm mit Bedauern eröffnet, dass er seine Aussichten auf eine militärische Karriere als äußerst gering einschätzte, w eil er bezweifelte, dass Spink selbst nach vollständiger G e nesung jemals wieder auch nur annähernd seine einstige Vitalität zurückerlangen würde. Mein Freund konnte sich auf ein Leben als Invalide gefasst machen, als jemand, der vollkommen auf die Unterstützung seines Bruders angewiesen war.
    Derart dramatisch drückte Epiny es natürlich nicht aus. Sie teilte mir vergnügt mit, dass sie, sobald Spink sich kräftig genug fühlte, eine kleine Hochzeitsfeier a r rangieren würden und dass sie ihn danach zu seiner F a milie begleiten wolle. Sie stand bereits seit einiger Zeit in Korrespondenz mit seiner Mutter und seinen Schwestern und fand sie »erfrischend modern. Sie sind äußerst tüc h tige Frauen, Nevare, und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich darauf freue, sie persönlich kennenz u lernen. Es ist furchtbar schade, dass seine Familie sich die Reise nach Alt-Thares zu unserer Hochzeit nicht le i sten kann. Ich bin sicher, dass es meiner Mutter sehr gut tun würde zu sehen, dass Frauen mehr können, als tra t schen, intrigieren und ihre Töchter mit den Männern ve r kuppeln, von denen sie sich den größten politischen Vo r teil versprechen. Auch bin ich sicher, dass es Papa a u ßerordentlich beruhigen würde, wenn er sehen könnte, dass ich in ein wertvolles, produktives Leben eintrete, statt zu einem solchen verdammt zu sein, das aus endl o sem Sticken, Parlieren und Gebären besteht.«
    »Epiny«, fragte ich sie sehr behutsam, da ich sie in i h rem Überschwang nicht allzu schroff ernüchtern wollte. »Bist du sicher, dass du mit solch einem Leben glücklich sein wirst? Du wirst nicht wirklich die Herrin deines e i genen Hauses sein. Du und Spink, ihr werdet auf die Wohltätigkeit seines Bruders angewiesen sein, man könnte auch sagen, ihr werdet ihm auf der Tasche liegen. Du sprichst davon, dass seine Mutter und seine Schw e stern nützliche und sinnvolle Arbeit leisten. Ich bin s i cher, dass das karge, harte Leben an der Grenze dir z u setzen wird. Deine Lebensumstände werden weit unter dem liegen, was du gewohnt bist. Vielleicht solltest du es dir noch einmal sorgfältig überlegen, ob du dir und Spink wirklich ein solches Leben zumuten möchtest, ein Leben in Armut und völliger Abhängigkeit.«
    Meine Worte waren gut gemeint, aber sie schüttelte nur den Kopf, und Tränen traten ihr in die Augen. »Muss denn jeder auf dem herumreiten, was ich ohnehin schon längst weiß? Mir ist völlig klar, dass es hart sein wird, Nevare, noch weit härter, als ich es mir vorgestellt habe, als ich b eschloss, mein Schicksal mit Spink zu teilen. Aber ich glaube, ich kann es schaffen. Nein. Ich weiß, ich muss es schaffen, und deshalb werde ich auch die Kraft finden, die ich brauche, um es zu schaffen.« Sie ballte die Hände im Schoß zu Fäusten. »Ich weiß, du glaubst, ich bin zu impulsiv und werde meinen Entschluss noch b e reuen. Ich weiß, dass du mich für

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