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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Epiny es so unverblümt ausdrückte, »um den Preis für die Braut zu entrichten«. Ich war s i cher, dass seine Familie aufgeboten hatte, was sie konnte, aber es war wahrlich keine stolze Summe, und an Ei n fluss hatte sie noch weniger in die Waagschale zu we r fen. Ich selbst nahm auch an der Trauungszeremonie teil und lauschte zusammen mit Spinks Bruder den Worten des Priesters, als er die beiden miteinander vermählte. Epinys Kleid war schlicht, ebenso der Schleier, den sie trug; dennoch nahm es sich gegenüber Spinks schlecht sitzender Uniform geradezu extravagant aus. Ich verm u tete, dass er an diesem Tag zum letzten Mal Verwendung für sie haben würde. Es war das erste Mal, dass ich ihn seit dem Krankenrevier sah. Er wirkte so schmal und ausgezehrt, als könne ein Windstoß ihn fortwehen. Er hatte immer noch dunkle Ränder unter den Augen, und seine Wangen waren eingefallen. Aber seine Stimme war klar und fest, als er Epinys Eltern dafür dankte, dass sie ihm die Hand ihrer Tochter anvertraut hatten, und er sah glücklicher aus, als ich ihn je erlebt hatte. Das Gleiche galt auch für Epiny, und trotz meiner Bedenken beneid e te ich sie beide.
    Ich hatte kaum Gelegenheit, allein mit ihm zu sein. Er wurde rasch müde, und Epiny war entschlossen, ihn s o wohl zu betüttern als auch mit Beschlag zu belegen. Als ich dann endlich doch einmal einen ruhigen Moment fand, wünschte ich ihm alles Gute, und eh ich mich’s versah, hörte ich mich plötzlich sagen: »Es ist schon sel t sam. Manchmal erscheinen einem bestimmte Dinge u n glaublich wichtig, und einen Moment später haben sie überhaupt keine Bedeutung mehr. Am Tag unserer Pr ü fungen quälte mich der Gedanke sehr, dass du und Gord einen Weg gefunden hattet zu mogeln. Es erschien mir eine Sache von ungeheurer Wichtigkeit zu sein, fast so, als ginge es um Leben oder Tod. Nun, jetzt weißt ich, wie es ist, wenn es um Leben oder Tod geht. Kommt dir auch alles so anders vor als vorher, seit wir dem Tod so nahe waren?«
    Er schaute mir ganz tief in die Augen, so tief, dass ich das Gefühl hatte, er würde mir geradewegs in die Seele blicken. »Seit wir gestorben waren und zurückkamen, meinst du? Ja, mein Freund. Alles erscheint mir jetzt in einem anderen Licht. Und Dinge, die mich vorher tief bekümmerten, sind jetzt ohne jeden Belang für mich.« Er gab ein kurzes, schnaubendes Lachen von sich. »Aber ich will dir die Wahrheit gestehen. Ja, ich habe geschu m melt. Aber Gord hatte nichts damit zu tun. Ich habe ›6 x 8 = 46‹ auf die Innenseite meines Handgelenks geschri e ben.«
    »Aber sechs mal acht ist achtundvierzig!«, platzte ich heraus.
    Einen langen Moment starrte Spink mich mit offenem Mund an. Dann brach er in ein herzhaftes Lachen aus, und das rief sofort Epiny auf den Plan, die von mir wi s sen wollte, wie ich es angestellt hatte, ihm eine solche Reaktion zu entlocken. Kurz danach gingen sie auf eine Hochzeitsreise, die nur zwei Tage dauern sollte, bevor sie dann mit Spinks Bruder die lange Reise gen Osten antr e ten würden. Die kleine Versammlung löste sich auf, fast unmittelbar nachdem die Braut und der Bräutigam g e gangen waren, und ich war froh, mich unter dem Vo r wand, die ganze Aufregung sei wohl doch noch ein w e nig zu anstrengend für mich gewesen, wieder auf mein Zimmer zurückziehen zu können. Mein Onkel entschu l digte mich leichten Herzens, und fast machte er auf mich den Eindruck, als wünschte er, er könnte mit mir gehen. Er wirkte auf jene gequälte Art angeschlagen, wie man sie oft bei Männern erlebt, deren Frauen äußerst unglüc k lich mit ihnen sind. Meine Tante trug ein strenges, schmuckloses Kleid von einem Grau, das so dunkel war, dass es fast schwarz wirkte. Sie hatte kein Wort mit mir gesprochen, und ich beugte mich stumm über ihre Hand und flüchtete.
    In meinem Zimmer angekommen, saß ich da und star r te aus dem Fenster, bis es dunkel wurde. Schließlich stand mein Entschluss fest. Ich nahm Papier und Stift und schrieb einen höflichen, aber sehr offenen Brief an Ca r sina. Ich richtete den Brief direkt an sie, per Adresse i h res Vaters. Am nächsten Morgen stand ich früh auf, zog meine Uniform an und verließ das Haus meines Onkels. Als Erstes gab ich meinen Brief a uf. Nachdem ich das hinter mich gebracht hatte, ritt ich auf Sirlofty zur Ak a demie, wo ich mich sofort zu Oberst Stiets Residenz b e gab. Ich hoffte inbrünstig, dass er und seine Familie b e reits ausgezogen waren.
    Aber sie waren immer noch

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