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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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merkwürdiger.« Sie lehnte sich wieder zurück und musterte mich so eingehend, dass ich beinahe erwa r tete, sie würde mir sagen, wie sehr ich gewachsen sei. »Wirklich sonderbar, deine Aura. Aber du bist ja auch ein sonderbarer Mensch, und du hast definitiv etwas sehr Sonderbares erlebt. Oder besser, wir haben etwas So n derbares erlebt.«
    Ich gab meinen Widerstand auf und fragte sie. »Eri n nert sich Spink an irgendetwas davon?«
    Sie schürzte die Lippen. »Wenn, dann gibt er es nicht zu. Ich frage mich auch, woran die anderen, die auf der Brücke waren, sich erinnern … ach ja!« Sie griff erneut in ihre Tasche. »Fast hätte ichs vergessen. Hier ist ein Brief von Caulder. Er kam vor zwei Tagen. Ich könnte mir denken, dass er vielleicht einen sehr seltsamen Traum hatte, über den er gerne mit dir reden würde.« Als sie mir den Brief überreichte, lächelte sie boshaft.
    Ich nahm den Umschlag entgegen und sah sofort, dass das Siegel erbrochen war. »Du hast ihn schon gelesen, nicht wahr?«
    »Natürlich. Da er von Caulder stammt, bezweifelte ich, dass er allzu persönlich ist. Und natürlich musste ich ihn lesen, um beurteilen zu können, ob ich ihn an dich weitergeben sollte oder lieber nicht. Aber ich denke, du bist so bereit dafür, wie du es nur sein kannst.«
    Der Brief war auf schwerem, teurem Papier geschri e ben; der einzige Makel war Caulders kindliche Schrift. »Bitte komm mich besuchen, sobald du kannst. Ich habe etwas für dich.«
    Ich warf ihn auf meine Bettdecke. »Das Einzige, was ich von ihm wollen könnte, ist eine Entschuldigung, und ich bezweifle stark, dass ich die bekommen werde.«
    »Ich hätte eher gedacht, du sagst, du würdest dir wü n schen, dass er seinem Vater die Wahrheit sagt. Denn dann könnte, ja müsste sein Vater deine unehrenhafte Entlassung zurücknehmen.«
    Ich schaute sie sprachlos an. Diese beiden Wörter laut ausgesprochen zu hören, war so, als würden sie mir mit einem glühenden Eisen eingebrannt. Dass sie davon wusste und es laut aussprach, ließ die Wirklichkeit mit frischem Entsetzen vor mir wiedererstehen. Als mein bestürztes Schweigen immer länger wurde, vertraute sie mir an: »Ich habe das Dokument beim Aufhängen deiner Uniformjacke gefunden. Jemand musste sich ja um deine Sachen kümmern; einige der Krankenwärter, die sie auf dem Höhepunkt der Krise in das Krankenrevier holten, waren Diebe und noch Schlimmeres. Sie stahlen alles, was nicht niet- und nagelfest war, sogar die Decken, mit denen die Toten zugedeckt wurden. Es war schlimm. A l so habe ich deine Sachen an mich genommen, um sie in Sicherheit zu bringen, und …«
    »Und da konntest du natürlich nicht umhin, meine T a schen zu durchsuchen!« Ich war empört.
    »Ja, natürlich«, versetzte sie. »Es hätten sich ja Wer t gegenstände darin befinden können. Aber das Einzige, was ich fand, war dieses scheußliche Entlassungsschre i ben. Das habe ich natürlich sofort verbrannt.«
    »Du hast meine Entlassungsurkunde verbrannt?«
    »Natürlich«, sagte sie, als sei das das Selbstverstän d lichste von der Welt.
    »Warum?«
    Sie zuckte mit den Schultern und wandte einen M o ment lang den Blick ab. Dann sah sie mich wieder an, direkt in die Augen. »Ich bin kein Dummkopf, Nevare. Ich wusste, dass Oberst Stiet sehr krank war. Ich sah, dass das Schreiben das Datum des Tages trug, an dem die Seuche ausgebrochen war. Ich vermutete, dass er bei dem Chaos, das ihn am selben Tage einholte, keine Gelege n heit mehr gehabt hatte, deine Entlassung noch irgendwo anders zu dokumentieren. Und falls er starb und es keine weiteren Aufzeichnungen darüber gab, warum dann nicht gleich alle Spuren tilgen? Also verbrannte ich den Wisch. Keiner hat’s gesehen. Und da Spink es mir gegenüber nicht erwähnt hatte, ging ich davon aus, dass du es noch niemandem erzählt hattest.«
    Sie lehnte sich zurück und faltete die Hände im Schoß. Alles in allem machte sie einen äußerst selbstzufriedenen Eindruck. Dann seufzte sie leise. »Leider ist er nicht g e storben. Aber wir können hoffen, dass er nach alldem, was passiert ist, keine Zeit mehr hat, dir Ärger zu m a chen.«
    »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, sagte ich nach einem Moment des Schweigens.
    »Dann sag halt nichts!«, sagte sie. »Gar nichts. Wenn du wieder soweit auf dem Damm bist, gehst du einfach zurück auf die Akademie und machst weiter wie bisher, so, als wäre nichts geschehen. Ich bezweifle, dass Stiet sich die Zeit nehmen wird, seinen

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