Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
zwanzig Jahre zuvor in beiderseitigem Einvernehmen gesetzt worden waren, nicht respektierten, dies auch nicht mehr tun werde. Der König sandte seine Kavalla aus mit dem Befehl, nicht bloß die Flachländer zurückzuwerfen, sondern auch die Grenzen neu zu ziehen und neue Gebiete zu erobern, um die an die Landsänger verlorenen Ländereien zu ersetzen.
Einige Lehnsherren des Königs unterstützten ihn nicht in diesen Bestrebungen. Das Flachland galt ihnen als Wüste, ungeeignet als Acker wie als Weideland, im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt. Zwar trieben wir Handel mit den Völkern der Region, aber wir kauften von ihnen nur Rohmaterialen, zum Beispiel Felle aus den nördlichen Gegenden. Sie waren keine Bauern und übten kein eigenes Handwerk aus. Viele von ihnen waren N o maden und folgten ihren Herden. Selbst die, die kleine Felder bewirtschafteten, waren auf der Wanderschaft: Sie überwinterten an dem einen Ort und verbrachten den Sommer an einem anderen. Sie gaben selbst zu, dass niemand das Land besaß. Warum sollten also sie oder unsere eigenen Edelleute uns das Recht streitig machen, es zu besiedeln und urbar zu machen?
Duril erinnerte an die kurze und blutige Revolte des Adels. Sie hatte damit begonnen, dass Lord Egery vor dem Rat der Herren aufgestanden war und die Anwese n den gefragt hatte, warum immer noch mehr Söhne ihr Blut für Sand und Stein und Salbeibüsche vergießen sol l ten. Der Verräter hatte sie dazu aufgerufen, dass sie den jungen Troven stürzen und sich um der Hafenrechte wi l len mit unserem Erzfeind verbünden sollten. König Tr o ven hatte den Aufstand entschlossen niedergeworfen und dann, statt die Aufrührer zu bestrafen, alle Familien b e lohnt, die ihm i hre Soldatensöhne für die Schlacht gegen ihre Standesgenossen anvertraut hatten. König Troven stellte sein Militär neu auf, indem er Männer und Geld in die Kavalla steckte, die berittene Streitmacht, die auf das alte Rittertum zurückging, denn er glaubte, dass diese Truppe am besten mit den stets zu Pferde operierenden Flachländern fertig werden konnte. Er löste seine Marine auf, weil er weder einen Hafen noch Schiffe für sie hatte. Nicht wenige spotteten über die Idee, Seeleute auf Pferde zu setzen und Admirale und Kapitäne an die Spitze von Bodentruppen zu stellen, aber König Troven argume n tierte schlicht, er glaube, dass seine Soldatensöhne und ihre Befehlshaber überall kämpfen könnten, wo ihr P a triotismus es von ihnen verlange. Seine Männer bestäti g ten sein Vertrauen.
Auf diese Weise war das Königreich Gernien um ein Drittel seiner Fläche gewachsen, seit Sergeant Duril ein kleiner Junge war.
Anfangs war der Flachlandkrieg gar kein richtiger Krieg gewesen, sondern eher eine Reihe von Scharmü t zeln zwischen den Nomaden und unseren Leuten. Die Flachländer hatten uns überfallen und unsere militär i schen Außenposten und die neuen Siedlungen, die um sie herum entstanden waren, angegriffen, und wir hatten Vergeltungsschläge gegen ihre umherstreifenden Banden geführt. Zuerst hatten die Flachländer geglaubt, es gehe König Troven lediglich darum, sein Recht auf sein eig e nes Territorium zu behaupten. Erst als wir nicht nur uns e re Grenzsteine versetzten, sondern auch anfingen, z u nächst Zitadellen und dann Siedlungen zu errichten, b e griffen die Flachländer, dass der König es ernst meinte. Zwanzig Jahre Krieg waren die Folge.
Die Flachländer sahen sich selbst als sieben unte r schiedliche Völker, aber unsere Aufzeichnungen zeigten, dass es weit über dreißig verschiedene Klans oder Stä m me gab. Oft bewegten sie sich in kleineren Gruppen. Sie zogen umher und beherrschten auf ihre Weise die Flac h lande, die Plateaus und das Hügelland im Norden. Einige hielten Schafe oder Ziegen, andere langhalsige, dunke l braune Rinder, die gegen jede Art von Witterung immun zu sein schienen. Drei der geringeren Stämme waren schlichte Jäger und Sammler, die von den anderen N o maden als Primitive angesehen wurden. Sie tätowierten sich das Gesicht mit roten Mustern und glaubten, sie se i en mit den kläffenden Ratten verwandt, den Nagern der Graslande, die manchmal riesige Areale mit ihren Tu n neln und Bauen durchzogen. Die Rattenmenschen gruben ebenfalls Tunnel i n die Erde und lagerten darin Samen und Körner. Sie hatten unserer Ausdehnung nach Osten nicht nur wenig Widerstand entgegengesetzt, sondern sich im Gegenteil in ihrem Ruf als neuentdeckte Kurios i tät gesonnt. Ganze Heerscharen
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