vorstellen konnte, warum.
Die mittlere Schublade ihrer Kommode stand halb offen. Sie öffnete sie ganz. Ihre Nachthemden waren verkehrt herum auf die falsche Seite der Schublade gelegt worden. Sie nahm eines heraus, schüttelte es und roch daran. Aber es duftete nur nach Waschpulver.
Sie nahm den viktorianischen Spiegel in die Hand, den sie in der Korbtruhe gefunden hatte. Ein Lichtpunkt wie Peter Pans Glöckchen glitt zitternd über die Zimmerdecke.
Sie musterte ihr Spiegelbild. Ihren Augen war die Erschöpfung anzusehen, und ihre Haare waren zerzaust.
Sie griff nach der zum Spiegel passenden Haarbürste. Das polierte Silber hatte einen warmen Glanz, und in den Borsten hingen noch ein paar dunkle Haare.
Tief einatmen, ausatmen. Ivy sah auf ihren Bauch hinunter. Sie fühlte sich immer noch ungeheuer schwanger, aber etwas hatte sich verändert.
Sie legte die Hände auf ihren Unterleib und konnte tatsächlich ihre obersten Rippen fühlen. Das Baby musste ein Stück nach unten gerutscht sein. Es war ganz normal, dass das jetzt gegen Ende der Schwangerschaft passierte. Kein Wunder, dass sie nicht mehr gerülpst und sich nicht mehr so unangenehm voll gefühlt hatte. Und es erklärte, warum es ihr so vorgekommen war, als ob das Baby direkt auf ihrer Blase säße.
Sie ging ins Badezimmer und pinkelte. Anschließend ging sie aus reiner Gewohnheit in ihr Büro, um nachzusehen, ob sie neue E-Mails bekommen hatte. Als sie ihren leeren Schreibtisch sah, blieb sie entsetzt stehen. Hatte die Polizei ihren Computer konfisziert?
Dann fiel es ihr wieder ein - ihr Laptop war immer noch im Auto, und sie dankte Gott für dieses kleine Wunder.
Ivy ging die Treppe hinunter. David und Theo verstummten, als sie durch die Küche kam. Sie ging zur Seitentür hinaus und holte ihren Aktenkoffer aus dem Kofferraum.
In ihr Büro zurückgekehrt, nahm sie den Laptop aus der Tasche, steckte den Stecker in die Steckdose und
schaltete den Computer ein. Wie üblich hatte sie eine Nachricht von
[email protected] bekommen. Kamala war »die perfekte Partnerin« aus Jodys Lieblingsepisode von Star Trek: The Next Generation .
Ivy öffnete die Nachricht.
Also? Ich weiß, Du möchtest nicht, dass ich anrufe und frage, aber eine besorgte Freundin verzehrt sich danach, zu erfahren, wie’s Dir geht.
Xx
J
Es dauerte eine Weile, bis Ivy begriff, dass sich Jody nach ihrem Arzttermin erkundigte. Es kam ihr so vor, als wären Tage und nicht Stunden vergangen, seit sie auf Dr. Shapiros Untersuchungstisch gelegen und auf den gleichmäßigen Herzschlag des Babys gelauscht hatte.
Ivy begann, eine Antwort zu tippen.
Alles gut gelaufen. Bestätigung, dass ich einen Wasserbüffel zur Welt bringen werde. Erwarteter Termin 1. April.
Sie zögerte. Rate mal, was passiert ist. Melinda White ist verschwunden, und ihre blutigen Kleider sind auf dem Rasen vor unserem Haus aufgetaucht .
Sie brachte es nicht fertig, das zu schreiben. Morgen würde sie Jody bei der Babyparty sehen. Mit etwas Glück war das Geheimnis um Melindas Verschwinden bis dahin gelöst.
Wenig später lag Ivy im Bett und lauschte auf Davids und Theos Stimmen, die vom unteren Stockwerk heraufdrangen. Sie waren Zechkumpane, Pokergenossen, Highschool-Quarterback und Wide Receiver gewesen - die beiden hatten seit ihrer Kindheit Abenteuer miteinander erlebt. Jetzt klang es so, als stritten sie.
Ivy zwang sich, die Augen zu schließen. Verschiedene Geräusche schienen sie zu umschwirren. Ein gleichmäßiges Trommeln und dann das Geräusch von laufendem Wasser, das angedreht und wieder abgestellt wurde. Ein Quietschen und ein Knarren, als würde jemand den Deckel einer Truhe aus Flechtwerk anheben. Vermutlich der Ahornbaum vor ihrem Fenster, der im Wind schwankte. Ein keuchendes Ein- und Ausatmen und ein kaum hörbares Wumm-wumm-wumm. Als sie schleichende Schritte hörte, begann ihr Herz wild zu hämmern.
Im nächsten Augenblick erkannte sie, was es war. Ein tropfender Wasserhahn.
Sie kroch aus dem Bett, stapfte ins Badezimmer und drehte den Hahn fest zu. Zusätzlich legte sie noch einen Waschlappen über den Abfluss, um das Geräusch der herabfallenden Tropfen zu dämpfen. Schließlich ging sie wieder ins Bett, drehte sich auf die Seite und zog sich ein Kissen über den Kopf. Sie schloss die Augen und dachte an den beruhigenden, gleichmäßigen Herzschlag des Babys. Ein guter, kräftiger Herzschlag , hatte Dr. Shapiro gesagt.
Dann erlebte sie in Gedanken den Augenblick noch einmal, in dem