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Neverwake

Neverwake

Titel: Neverwake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meissner
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Suicider gegen Smugglerboy. Oder Suicider und Smugglerboy gegen was immer töricht genug war, sich mit ihnen anzulegen.
    Der Kampf dauerte noch fast eine halbe Stunde und fraß alle Klimper-Euros, die sie in ihren Taschen hatten. Am Ende gewann Smugglerboy, weil er die Ungeduld seines besten Freundes ausnutzte. Suicider hatte einfach nicht die Ruhe weg, um sich länger als eine Minute an ein und demselben Ort verschanzen zu können. Dauernd mußte er Deckungen wec h seln, noch etwas finden, Verbesserungen anstreben, den Ge g ner aufzuspüren versuchen. Smugglerboy dagegen verminte einfach großzügig seine Deckung, zog dann den Kopf ganz tief zwischen die Knie und wartete ab, bis Suicider sich selbst aufgeraucht hatte. Es steckte eine Lektion in diesem Spielve r lauf, so wie in jedem Spiel Lektionen steckten, aber Suicider fragte hinterher lediglich, ob es denn überhaupt Spaß machte, Geld dafür auszugeben, nichts zu tun, und bemerkte beiläufig, daß Smugglerboys Spielweise irgendwie unmännlich sei.
    Als sie hinterher in einer fett-triefenden Kunststoffkombüse röstzwiebelüberladene Dönerburger verdrückten, maulte Centipede wie so oft, daß es eigentlich schade sei, daß alle guten Computerspiele vom Schießen und Verprügeln hande l ten, während sie sich doch eigentlich danach sehnte, »etwas Schönes zu suchen und zu finden«. Wie immer widersprachen Suicider und Smugglerboy mit dem Argument, daß es nichts Schöneres zu finden gäbe als einen guten virtuellen Krieg, und da Centipede diesem Argument mangels Alternativen wohl zustimmen mußte, war damit das Thema wie immer vom Tisch.
     
    Am Nachmittag hingen sie in der kleinen Sozialbauwohnung ab, die Smugglerboys älterer Bruder sich hielt, um seinen außerehelichen Vergnügungen frönen zu können. Centipede fingerte mit angewidertem Gesichtsausdruck an allerlei pne u matischem und noch nach Gleitmitteln und anderen Flüssigke i ten riechendem Sexspielzeug herum, während Suicider und Smugglerboy Seite an Seite die aktuelle vEmpire durchklic k ten. Sie fanden einen kurzen Artikel über Rêve mit zwei umwerfenden Fashion-Shots von ihr. Ihr neuestes Outfit war kabuki-inspiriert, mit hüftlangen schwarzen Haaren und einem Push-up-Top aus Chrom. Es wurde immer schwerer, sie und ihre Liga-Spielfigur auseinanderzuhalten, denn Rêve spielte in der Liga sich selbst, ihr Charakter hieß Rêve , sie war immer und überall derselbe Traum. Wozu brauchte eine Frau wie sie auch Phantasie, sie war schließlich eine Phantasie.
    Ansonsten enthielt die vEmpire den neuesten Stand des europ ä ischen Drittliga- Anthills , Gefechtsergebnisse und politische Fortschritte der virtuellen Battlemech-Clans, chiffrierte Hi n weise auf ein illegales Oversurf-Event im Märkischen Viertel, Portraits von ein paar neuen Berliner Liga-Anwärtern – einer von ihnen, der sich widerlich aristokratisch gebärdende Marek Scheer, würde bestimmt morgen beim SF-Turnier auch dabei sein, um sich bei Rêve einzuschleimen –, von Virts ausgesuc h te Essays und Neo-Noir-Gedichte aus dem Netz, Gerüchte und Mutmaßungen über die wahren Identitäten einiger neu aufg e tauchter Playerkiller, Online-Kommunikationsgruppenver schiebungen, beeindruckende Gemälde und Zeichnungen aus der Welt der Paper ’ n ’ Pencil-Spiele, Klatsch und Tratsch aus der Gilde der Meister, Klatsch und Tratsch aus der Welt der Avatar-Groupies, Neues aus den TeKKKno-Charts, elektr o magnetische Kabbala-Rituale für den multifunktionalen Eige n bedarf, Cheats und detaillierte Lösungswege für ein paar Rollenspiele der Kategorie »Spielstunden: 250+«, reichbebi l derte Anzeigen von SexHardware-Herstellern, die jedem den Himmel auf Erden versprachen, und reichbebilderte Anzeigen von SteuerungsHardware-Designern, die jedem Spielgegner die Hölle auf Erden versprachen.
    Nachdem sie sich in ihre Handheld-Adapter runtergeladen hatten, was sie brauchbar fanden, machten sich die drei auf den Weg zum Bloodpool. Es regnete dicke, quecksilberfarbene Herbsttropfen, und Centipede drehte sich mit ausgebreiteten Armen und herausgestreckter Zunge auf der Straße um sich selbst, bis die wenigen Autos, aus denen keine orientalischen Baßläufe wummerten, zu hupen anfingen.
    Der Bloodpool war gut gefüllt, der Kampfabend ziemlich unterhaltsam. Eine der neuen Figuren, Ventfuria, beeindruckte in ihrem Kampf mit ein paar neuartigen Leuchtspur-Kicks, Suicider baggerte die Spielerin der Chainsaw Lilly an, eine niedliche stupsnasige Blondine, die

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