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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Augen, als blickte er in eine ferne Vergangenheit.
    «Gavroche», sagte er, «wenn jemand so meergrüne Augen hat wie du, wird dir selbst ein Gott nicht böse sein. Aber deine Großmutter glaubte, die Zeit des Dionysos würde jetzt bald kommen. Und weil er der Gott der Feuchtigkeit, der Quellen, Bäche und Flüsse ist, wird er, wenn man ihn ruft, das Wasser befreien. Es wird regnen wie zur Zeit Noahs, und die Flüsse werden über die Ufer treten…»
    Plötzlich hatte ich Angst vor den Mächten, die meine Großmutter und vielleicht sogar auch ich rufen konnte.
    «Onkel Laf, meinst du, die Welt könnte überschwemmt und zerstört werden, wenn jemand blinden Alarm schlägt – jemand wie ich?»
    Laf schwieg einen Augenblick, und als er sprach, versuchte er nicht, mir etwas vorzumachen.
    «Ich denke, Gavroche, du wirst wissen, wann der richtige Augenblick gekommen ist», sagte er leise. «Und ich bin überzeugt, auch der Gott wird genau wissen, wann er kommen muß.»
    Ich hatte in den vergangenen zwanzig Jahren kaum an diese Episode aus meiner Kindheit gedacht. Nun sah ich, daß wir über den Flußdeich fuhren, einen einseitigen Mühlendamm, der die Donau umleitete und ihre Wasserenergie nutzbar machte; kurz dahinter lag unser Ziel. Ich warf einen Blick auf die Segeltuchtasche neben mir, in der sich Pandoras Manuskripte befanden.
    Wir passierten den Eingang zum Gelände der UNO-City und hielt en vor der IAEA. Als ich mit der verhängnisvollen Tasche unter dem Arm ausstieg, schoß mir durch den Kopf, was Onkel Laf vor so langer Zeit in Wien gesagt hatte – daß ich genau wissen würde, wann ich den Gott rufen müßte. Und ich fragte mich, ob dieser kritische Augenblick jetzt gekommen war.
    Um die Mittagszeit hatte ich denn eine ziemlich klare Vorstellung davon, wo unser Reiseziel lag. Es befand sich tief im Inneren der UdSSR in einem Gebiet von Zentralasien, das allgemein als Gelbe Steppe bezeichnet wird.
    Es stimmte, daß die Russen in den letzten Jahren und besonders nach der Katastrophe in Tschernobyl weniger ablehnend auf die Intervention solcher Organisationen wie die IAEA reagiert hatten. Aber glasnost und Perestroika einmal beiseite – das Verhältnis der Sowjets zum Westen war nicht ganz so herzlich, wie sie es öffentlich darstellten. Warum also sollten sie plötzlich ihre Haltung ändern, den Kalten Krieg praktisch für beendet erklären und uns verschämt bitten, ihren Wäscheschrank zu inspizieren?
    In unserem ausführlichen Briefing hörte ich von einer mysteriösen Clique, die man «Gruppe der yy» nannte, die es sich anscheinend vorgenommen hatte, dem «Club der Big Five» anzugehören, der alles waffengrädige Material auf der Welt beherrschte.

    Es war ein Uhr m ittag, als Wolfgang und ich den Konferenzraum verließen. Nach einem Minimum an Schlaf und Frühstück und stundenlangem intensiven Briefing brauchte ich dringend etwas Anständiges zu essen und ein bißchen Gemütlichkeit.
    Wir ließen unser Gepäck in den Räumen der IAEA, um es später abzuholen, und besorgten uns ein Taxi. Am Kanal stiegen wir aus und gingen zu Fuß zum Cafe Central, wo Wolfgang einen Tisch für uns bestellt hatte. Ich schleppte meine schwere Schultertasche durch die kopfsteingepflasterten Straßen, hatte aber glücklicherweise bequeme Schuhe angezogen. Das Gehen tat mir gut. Der kalte Nebel, der vom Kanal herüberzog, wirkte erfrischend.
    «Erzähl mir ein bißchen mehr über diese ‹Gruppe der 77›», bat ich Wolfgang. «Was sind das für Leute? Eine Verbrecherorganisation der dritten Welt, die so viel flüssiges Plutonium haben will, wie sie nur kriegen kann?»
    «Hier in Wien weiß man schon seit einiger Zeit von dieser Gruppe», erklärte mir Wolfgang. «Es fing an mit 77 Entwicklungsländern – alles UN-Mitglieder –, die sich zu einer Interessengruppe zusammenschlossen, um die Zusammenarbeit unter den Ländern der dritten Welt zu fördern. Heute hat sich ihre Mitgliederzahl nahezu verdoppelt. Sie nennen sich aber immer noch ‹Gruppe der 77›, und sie haben gelernt, geschlo ssen abzustimmen. Damit haben sie wesentlich an Einfluß gewonnen.
    Obwohl viele dieser Länder auch der IAEA angehören, ist die IAEA vor solchen besonderen Interessengruppen geschützt, weil an der Spitze der Behörde hauptsächlich Männer aus hochindustrialisierten Ländern sitzen, die sehr genau überlegen, wem sie ihr kerntechnisches Know-how zukommen lassen und wem nicht.»
    «Du meinst also, die Russen befürchten, daß jemand wie

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