Neville, Katherine - Der magische Zirkel
dessen Geburtsurkunde eintragen ließ. Das bedeutete, daß Zoes Töchter – meine Mutter Jersey und ihre Schwester Halle – die einzigen echten Enkelkinder von Hieronymus Behn waren. Insofern ergab es einen Sinn, daß Hieronymus intrigierte, um seine Enkeltöchter mit diesen zwei «erworbenen Söhnen» zu verheiraten – Halle mit Earnest, Jersey mit Augustus. Auf diese Weise hoffte Hieronymus sicherzustellen, daß alle künftigen Erben seines Vermögens und seiner Macht mit ihm blutsverwandt sein würden – durch seine Tochter Zoe.
Das Haar in der Suppe war jedoch, daß er die falschen Schwestern mit den falschen Brüdern verheiratet hatte. Mein prestige- und machthungriger Vater Augustus wäre der perfekte Partner für Halle gewesen, die die beste arische Erziehung mitbrachte, die ein schönes blondes Mädchen nationalsozialistischer Eltern bekommen konnte. Das Produkt dieser Liaison war Bambi. Als dann später Earnest und meine Mutter Jersey zusammenkamen, waren sie so glücklich, wie zwei so ausgenützte und emotional traumatisierte Menschen nur sein konnten.
Der Schandfleck, von dem sich Earnest nie reinwaschen konnte, war etwas, das er erst begriff, nachdem er Halle von Hauser geheiratet hatte. Er begriff nicht nur, was Halles Vater im Krieg als Waffenhersteller getan hatte – worauf sie sehr stolz war –, sondern auch, wohin das ganze Erz gegangen war, das er selbst in all den Jahren an seinen «neutralen» holländischen Vater Hieronymus Behn geliefert hatte.
Earnest begann, den Familienhintergrund, den niemand genau kannte, zu erforschen. Als ihm klarwurde, daß er, Augustus und Hieronymus ihr enormes Vermögen auf dem Leid anderer Menschen aufgebaut hatten – in Hieronymus Fall war dies sogar ganz bewußt geschehen –, war das schlimm genug. Doch als er herausfand, daß er von dem Mann, den er stets als seinen Vater angesehen hatte, als Werkzeug benutzt worden war – nicht nur, um eine «höhere» Rasse zu züchten, sondern auch, um die Welt zu beherrschen – war das für Earnest beinahe zuviel, um damit leben zu können.
Auf der anderen Seite war Zoe, die Mutter der beiden Mädchen, ins besetzte Frankreich gegangen mit dem Ziel, ihre Tochter Halle aus dem von Deutschen besetzten Gebiet herauszuholen, und saß dann dort fest, wie Pandora und Laf in Wien festsaßen. Der Anblick, den ich Zoe in Paris mit meinem entzückenden, rassereinen Liebhaber an der Seite bot, muß ihr wie eine Ironie des Schicksals erschienen sein.
Das eigentlich Ironische für alle diese Leute aber war laut Bambi, daß sie aufgrund ihrer Verbindungen mit Hieronymus Behn und Hillmann von Hauser und Hitler nicht nur den Krieg überlebt hatten, sondern auch etliche hundert Menschen ungestraft schützen oder retten konnten. Das schloß auch Pandoras Mann Dacian Bassarides ein, der – mit Zoes Hilfe von Paris aus – Flüchtlinge durch Südfrankreich schleuste.
«Kennt Wolfgang diese Geschichte – oder die Tatsache, daß Sam sein Bruder ist?» fragte ich Bambi.
Sie antwortete nicht gleich, sondern sah mich mit ihren goldgesprenkelten Augen nachdenklich an.
«Ich bin mir nicht sicher», sagte sie schließlich. «Aber ich weiß, daß er sehr stark von meiner Mutter beeinflußt wurde. Das ist der eigentliche Grund, warum ihn Lafcadio nicht mochte. Ich habe mir einen Teil der Geschichte selbst zusammengereimt aus dem, was ich von Lafcadio erfahren habe, der sein Wissen vor vielen Jahren von Earnest erhalten haben muß, als dieser von Idaho nach Wien kam, um mit Pandora zu sprechen. Es scheint, daß Pandora die ganze Geschichte schon lange kannte.»
Natürlich!
Ich erinnerte mich an Wolfgangs Worte, als wir unter der Glaskuppel seiner Burg standen und zur Donau hinunterblickten, kurz bevor wir uns liebten. Er sagte: «Ich war ein kleiner Junge, als mich mein Vater zu ihr mitnahm. Sie sang ‹Das himmlische Lebern. Sie sah mich mit deinen Augen an.»
«Nach der Hochzeit mit meiner Tochter», sagte Dark Bear, «ist Earnest Behn zweimal nach Europa gefahren. Als Sam drei Jahre alt war, hat er dort Pandora, die Mutter seines Bruders Augustus besucht, um über eine wichtige Familienangelegenheit zu sprechen. Und das zweite Mal ist er zu Pandoras Beerdigung hingefahren, kurz nach dem Tod von Bright Cloud, und damals hat er Sam mitgenommen. Er hat mir gesagt, Pandora habe ihm etwas vermacht, das er persönlich in Empfang nehmen müßte. Als er dann nach Idaho zurückkam, hat er die Reservation verlassen.»
Ich hatte nur noch eine
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