New York für Anfaengerinnen
zum ersten Mal verliebt war. Dennoch konnte sie es nicht lassen, an diesem Morgen zwei Mal zum Spion zu flitzen, um zu gucken, wer auf dem Flur war, als sie erneut Geräusche hörte. Es liefen aber nur ein durchs Fischauge grotesk verzerrter Hausmeister sowie eine Frau in Yogaklamotten, die breiter schien als hoch, durchs Bild.
Zoe fragte sich, was wohl die geheimen Grundregeln einer friends-with-benefits -Beziehung waren? Beziehungsweise, ob man solche in bilateralen Gesprächen festlegte oder ob diese sich einfach ergaben? Schließlich war sie nach zehn Jahren mit der blassen, netten Nigmann-Null völlig außer Übung. Und überhaupt: Wie waren wohl die Dating-Gewohnheiten amerikanischer Großstädter?
*
Der in der Medienbranche fast schon legendäre Living Room der New York Times befand sich im achtundzwanzigsten Stock des neuen Verlagsgebäudes an der 8th Avenue. Ihr erster Termin im neuen Job! Am Empfang musste Zoe sich ausweisen und wurde für ihren Besucherpass fotografiert. Sie durfte nicht alleine mit dem Aufzug in die Research- und Development-Abteilung fahren, sondern musste warten, bis ihr Gesprächspartner Alex Sontheim mit dem schicken Titel Chief Technology Strategist sie abholen kam. Zoe schaute sich die Menschen genau an, die unablässig aus den acht Aufzügen gespuckt wurden. Ein paar versteifte Anzugträger, die nach Rechtsabteilung aussahen. Ein Verknitterter in ungebügeltem Hemd, mit tiefen Stirnfalten und einer wirren Moppfrisur. Vermutlich eine Edelfeder. Und ein Kid mit Jeans, Kapuzenpulli sowie weiß bestrumpften Füßen in Adiletten, das unter anderen Umständen als Zeitungsjunge durchgegangen wäre.
»Hi Alex!« Zoe ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
»Und du musst Zoe sein«, antwortete der etwas zögerlich und grübelte sichtlich, woher sie ihn wohl kannte.
»Wir kennen uns nicht. Du siehst einfach aus wie jemand, der bei R&D arbeitet«, erlöste Zoe ihn.
Alex lachte. Dann steckte er ein Kärtchen in den Aufzugschlitz, und der Fahrstuhl brachte sie direkt und ohne Zwischenstopps in den achtundzwanzigsten Stock. An den Wänden des Flurs waren Bildschirme installiert, die zeigten, wie sich Nachrichten über die Länder dieser Erde verbreiteten. Am Beispiel des Todes von Michael Jackson konnte man die erste riesige Nachrichtenspitze an der Westküste in Los Angeles erkennen, unmittelbar gefolgt von einer noch viel höheren in New York. Wegen der Zeitverschiebung – Jackson starb gegen achtzehn Uhr US-Ostküste, also gegen Mitternacht in Europa – fiel die Spitze in London, Paris und Berlin wesentlich kleiner aus. In Asien hingegen gewann sie im Zeitraffer langsam, aber stetig an Größe.
»Willkommen im Wohnzimmer der New York Times «, rief Alex, nachdem sie die Sicherheitsschleuse am Ende des Flurs passiert hatten. Und tatsächlich sah die R&D-Abteilung fast aus wie ein Apartment. Abgesehen von ein paar Schreibtischen gab es Ledersofas, eine Art Badezimmer, eine Wohnküche, diverse Flachbildschirme an den Wänden und jede Menge Tische und Kommoden, auf denen alle möglichen Gadgets gestapelt waren. Laptops, Kindles, Nooks, Nexus Tablets und iPads verschiedener Generationen. Es sah ein bisschen aus, als wäre Mark Zuckerberg in die Ausstellungsräume von Möbel-Walther eingezogen.
Zoe und Alex machten an einem Küchentisch halt, dessen Tischplatte in Wirklichkeit ein riesiger Flachbildschirm war. Die klassischen Nachrichtenspalten wurden auf dem Display durch virtuelle Häufchen symbolisiert. Ein großer Stapel Politik, daneben ein kleinerer Kultur. Und ein Riesenhaufen aus verschiedenen sozialen Netzwerken. Als hätte jemand die Interessen seines Lebens nach Themen geordnet.
Alex erklärte die Idee der sogenannten Informationsschatten, die jeden Menschen, der im Internet aktiv war, umgab. »Wir glauben, dass es die eigenständige Kategorie Information gar nicht mehr gibt. Die Menschen konsumieren Nachrichten nicht mehr in einem dafür vorgesehenen Zeitfenster, etwa morgens in der U-Bahn oder abends vor dem Fernseher. Nachrichten sind heute überall. Sie kommen jederzeit. Über Twitter, über Facebook, über NYTimes.com. Deshalb wollen sie auch anders konsumiert werden.«
»Und Leser sind nicht mehr nur bloße Empfänger, sie generieren selbst auch Nachrichten«, fügte Zoe hinzu.
»Genau. Ein Frühstückstisch ist der klassischste Ort für Kommunikation, nur dass sie in Zukunft multimedial stattfindet.«
Alex führte sie weiter ins Badezimmer und vor einen
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