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New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
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Seerosenteich. Irgendwie hatte sie sich das einfacher vorgestellt.
    »Du musst es schon zulassen«, sagte leise eine Stimme hinter ihr.
    Sie drehte sich um. Es war Vatsayana. Er stand, sie saß, und so bekam sie den Eindruck, dass er für ihren Geschmack ein bisschen zu gütig auf sie herablächelte.
    »Was weißt du schon?«
    »Mehr als du denkst«, sagte er und schwebte leichten Schrittes davon.
     
    »Ist es nicht großartig hier?«, schwärmte Allegra, als sie ihre weißen Roben fürs Abendessen anlegten. »Ich habe einen Banker aus London kennengelernt, gebürtiger Spanier. Echt sexy!«
    Na dann, dachte Zoe und musste an Allegras angeborenes Talent, sich immer den falschen Mann auszusuchen, denken. Sie selber zählte derweilen schon einmal die Tage bis zu ihrem Rückflug: Neunzehn waren es.
     
    *
     
    Frühstück, Mittagessen und Abendessen fanden hier im Resort »in Indiens hygienischster Cafeteria« statt, was Zoe ungemein beruhigte. Die auf der hoteleigenen Bio-Farm angebaute Kost wurde auf der Gartenterrasse unter kleinen, weißen Sonnenschirmchen serviert. Weniger Indien ging nicht. Allegra hatte sich ganz begeistert für das Dreitagesseminar »Leben Sie im Hier und Jetzt – indem Sie Ihre Vergangenheit noch einmal durchleben!« eingeschrieben. Natürlich zusammen mit ihrem heißen Spanier. Zoe wollte sie unbedingt den Workshop »Wachsen, aufblühen, mit dem Leben verschmelzen: So bewältigen Sie Ihre Einsamkeit« aufschwatzen. Aber die hatte sich standhaft geweigert. Stattdessen setzte sie sich wie jeden Tag alleine an ihren Seerosenteich und grübelte. Seit ihrer Teenagerzeit hatte sie zwei Dinge ohne Unterlass getan: neben der Schule gearbeitet, Praktika gemacht, als Freie Artikel geschrieben, also an ihrer Karriere gebastelt. Und sich in Typen verliebt und wieder entliebt. Sie hatte immer darauf gewartet, dass sie irgendwann sie selbst sein würde. Sie hatte gedacht, dass das vielleicht automatisch kommen würde. Von ganz alleine. So ähnlich wie volljährig werden.
    Benni Nigmann, der Traummann in Warteschleife, war ihre erste große Liebe gewesen. Doch dann kam Tom und stellte ihre komplette Welt auf den Kopf. Zoe seufzte laut und fragte sich, wie man dieses ungewollte Kopfkino in Endlosschleife nur abstellen konnte. Der Film gefiel ihr auf Dauer nämlich überhaupt nicht. Und zehn Tage Ashram hatten kein bisschen geholfen.
    »Ein Neuanfang kann nur stattfinden, wenn etwas Altes zu Ende geht«, sagte eine Stimme. Wieder war es Vatsayana, der offenbar dafür zuständig war, abtrünnige Schäfchen zu trösten. Doch dieses Mal setzte er sich neben Zoe.
    »So ein Ende ist aber manchmal ganz schön schmerzhaft.«
    »Nicht, wenn du es als Anfang betrachtest.«
    Und dann sprudelte es aus ihr raus. Die ganze Geschichte mit Benni, dem Papst und Tom. Vor allem Tom. Mit New York und ihrem gefühlten Aschenbrödel-Dasein dort. In Dauerpanik leben, vom heiligen Aaron Papst rausgeschmissen zu werden. Nicht gut genug sein für den werten Sohnemann von Katherine »Kitty« Whitney Fiorino. Im Grunde nicht gut genug sein für die große weite Welt. Vatsayana hörte geduldig zu und reichte ihr ein Kleenex nach dem anderen. Fast eine ganze Box in einer Sitzung zu verbrauchen, musste ihr neuer Rekord sein. Vielleicht haben die Psychologen mit ihrer dämlichen Trauerphase ja doch recht, überlegte Zoe.
    »Lass es los«, riet Vatsayana. »Du musst es loslassen. Du kannst nicht unglücklich sein, nur weil du Angst hast vor Veränderung.«
    Es war schon irritierend, wenn ein Fremder einen klarer sehen konnte als man selbst. Beide saßen da und schwiegen nun. Zum ersten Mal spürte Zoe, wie sich das Nichts wie eine wohlige Nebelwolke über sie legte.
    »Und du? Was machst du eigentlich hier? Du bist doch kein gebürtiger Inder?«, fragte Zoe, als sie nach einer kleinen Ewigkeit wieder aus ihrer Wolke in die Realität zurückkehrte. »Wo kommst du her? Wo willst du hin?«
    »Ich komme nirgendwo her und ich will nirgendwo hin. Ich lebe im Hier und Jetzt.«
    Die alte Zoe hätte jetzt wieder »Na dann« gesagt. Dieses Mal verkniff sie es sich aber.
    »Es ist, wie es ist, Zoe. Statt über vergangene Dinge nachzugrübeln, die du nicht mehr ändern kannst, solltest du sie annehmen«, riet Vatsayana.
    Er ließ sie alleine an ihrem Seerosenteich zurück, und Zoe versuchte, allen Beteiligten an ihrer Misere Licht und Liebe zu schicken, genau wie es Vatsayana vorgeschlagen hatte. Benjamin Nigmann. Aaron Papst. Und zu guter Letzt sogar

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