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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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uns nur wenig Zeit, uns auf die Ankunft des Schurken vorzubereiten.
    «Denkt daran», sagte Newton. «Ihr seid Parlamentsmitglied und der künftige Earl von Shaftesbury. Ihr braucht Euch in keiner Weise zu erklären. Im Gespräch werdet Ihr vorwiegend an dem ansetzen müssen, was er Euch erzählt. Ich werde Euch beispringen, aber ich darf mich nicht zu sehr einmischen, weil das verdächtig wirken würde. Mit diesem Kerl müssen wir überaus vorsichtig sein.»
    Als Oates bei der Kutsche ankam, stieg Hall hinab und öffnete den Schlag, worauf Oates erst wieder zu Atem zu kommen suchte, da es ein ordentlicher Fußmarsch vom Axe Yard hierher war und sich dann förmlich verbeugte.
    «Habe ich die Ehre, mit Lord Ashley zu sprechen?», fragte er mit seiner pompösen, dröhnenden Stimme, welche mich an meinen Chormeister in der Schule erinnerte.
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    «Seine Lordschaft sitzen hier», sagte Newton. «Wenn Ihr Doktor Oates seid, steigt ein, Sir.»
    Oates schien zu stutzen und sah Doktor Newton auf eine Art an, dass ich schon dachte, er würde gleich wieder aussteigen.
    «Stimmt etwas nicht, Doktor Oates?», fragte Newton.
    «Nur, dass ich nicht mehr unter diesem Namen firmiere, Sir», sagte Oates. «Auf Anraten Seiner Lordschaft selbst.»
    «Wenn es Euch lieber ist, werden wir Euch Doktor Davies nennen», bot Newton an. «Aber Ihr könnt unbesorgt sein. Ich genieße in dieser Sache Seiner Lordschaft volles Vertrauen. Wie in allen Dingen.»
    Oates nickte, stieg ein und ließ sich sichtlich erleichtert auf den Sitz fallen. Hall schloss den Schlag hinter ihm und ich bemerkte sofort, dass ein seltsamer, süßlicher Geruch von Oates' Person ausging. Nach kurzem Abwarten, damit Hall wieder aufsteigen konnte, klopfte ich mit meinem Stock ans Kutschdach, als Signal, dass man uns nach London zurückfahren möge. Ich hörte den Kutscher mit der Peitsche knallen und wir fuhren los, die Heath Street hinab und in Richtung City.
    «Es ist mir wahrhaftig eine große Ehre, Mylord», sagte Oates ölig. «Ich habe Euren Großvater nie kennen gelernt, aber nach allem, was ich gehört habe, war er ein äußerst bedeutender Mann.»
    Ich gähnte ostentativ und tupfte mir den Mund mit dem Taschentuch, wie ich es Lord Halifax einmal hatte tun sehen, als wir im Schatzamt waren.
    «Und ich bin froh, Euch zu Diensten sein zu können, so wie ich ihm zu Diensten war», fuhr Oates fort. «Nein, nicht nur froh.
    Beglückt und höchst geehrt.»
    «Faòon,faòon», sagte ich, aufs Affektierteste Ungeduld mimend.
    «Lasst uns zur Sache kommen. Und bitte, sprecht nicht davon, mir zu Diensten zu sein, Doktor Oates, denn diese
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    Angelegenheit ist zu desperat, um nur meinetwegen unternommen zu werden. Tatsächlich seht Ihr mich einigermaßen nervös ob des Gewichts unseres Vorhabens. So nervös, dass ich eigens nach Hampstead heraufgekommen bin, um mich an den Wassern zu stärken. Jetzt jedoch ersehne ich mir von Euch die Beruhigung, dass alles bereit ist. Es sind nicht Gewissensskrupel, welche mich veranlassten, Euch zu schreiben, Sir, sondern mangelndes Vertrauen in unser Unterfangen. Ich wünsche bei Gott jeden Katholiken zur Hölle und doch, mal peste, treibt es mich um, denn ich bin immer noch besorgt, dass etwas schief gehen könnte. Aber Ihr habt das alles ja schon einmal exerziert, Doktor Oates. Ihr seid unser Achilles bei diesem Unternehmen und da ich die letzten Tage so chagriné und so beunruhigt war, wollte ich Euren Zuspruch. Deshalb habe ich Euch geschrieben und Euch hierher bestellt, Sir.»
    «Dann seid beruhigt, Mylord», sagte Oates. «Alles geht exakt nach Plan. Mister Defoes Pamphlet, welches dazu beitragen wird, die Wut aller braven Protestanten anzuheizen, ist bereits gedruckt und wartet nur auf den rechten Zeitpunkt, verteilt zu werden.»
    «Ich wünsche dieses Pamphlet zu lesen», sagte ich. Und dann zu Newton: «Warum habe ich es nicht zu Gesicht bekommen, John?»
    «Ihr habt es nicht zu Gesicht bekommen, Mylord?», fragte Oates. «Mir wurde mitgeteilt, Lord Lucas habe es Euch gegeben.»
    Ich schüttelte den Kopf. «Mag sein, dass er mir etwas gegeben hat», räumte ich ein. «Aber ich fürchte, ich habe es verloren.»
    «Ich habe noch einige Exemplare in meiner Wohnung», sagte Oates. «Ich könnte Euch jetzt gleich eines zeigen, wenn Ihr es wünscht.»
    «Ja, tut das», sagte ich. «Wir werden die Kutsche zu Eurer Wohnung beordern, Doktor Oates und dann holt Ihr mir eins
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    von Euren Pamphleten.»
    Newton beugte sich aus

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