Newtons Schatten
Ellis? Es scheint ihm nicht zu genügen, dass ich ihm einen krummen Hals und ein nasses Paar Hosen erspare.
Die Justiz macht keine Geschäfte mit dummdreisten Kerlen wie Euch, Sir. Ich sage Euch nur noch das eine: Wenn Ihr Euer Leben retten wollt, dann beeilt Euch, mir zu sagen, was ich wissen will, denn ich bin jemand, der keine Zeit verliert. Und wenn ich schließlich mit Euren Auskünften zufrieden bin, werde ich mich bei den Lordrichtern dafür verwenden, dass man Euch aus der Dunkelhaft erlöst. Doch wenn Ihr mich behindert, Sir, dann übergebe ich Euch übermorgen persönlich dem Henker, mein Wort darauf.»
Worauf sich Hunter mit den Handeisen gegen die Stirn schlug und alle Aufgeblasenheit aus ihm zu entweichen schien. Dann setzte er ein schiefes Lächeln auf und erklärte, er habe es ja nicht böse gemeint.
«Ich kann die schwarze Zellenluft nicht leiden», sagte er.
«Verzeiht mir, Sir. Ich habe nur versucht, eine Jakobsleiter da heraus zu finden. Das hätte jeder an meiner Stelle getan. Aber wenn ich mich Euch widersetzen wollte, würde ich wohl eine ganz andere Leiter hinaufsteigen müssen. Das ist mir jetzt klar.
Und oben würde mich wohl noch finsterere Schwärze erwarten.
Also werde ich auspacken. Ich werde Euch helfen, den Mann, den Ihr sucht, dingfest zu machen. Den Mann, der immer noch in der Münze ist und dem es so selbstverständlich ist, Münzstempel auf Bestellung zu stehlen, wie es einem Arzt selbstverständlich ist, andere zur Ader zu lassen.»
Darauf nannte Hunter einen gewissen Daniel Mercer, einen Stempelschneider, welchen Newton und ich kannten und für
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einen ehrlichen Mann gehalten hatten. Es war derselbe, den auch Scotch Robin, selbst Stempelschneider, benannt hatte.
Ich las das Protokoll vor und ließ ihn unterschreiben, wie auch Scotch Robin vorhin seine Aussage unterschrieben hatte. Dann wies Newton den Wärter an, Hunter wieder in den Kerker hinabzubringen, da er beiden Gefangenen zu einem späteren Zeitpunkt noch weitere Informationen aus der Nase zu ziehen gedachte.
«Werden wir jetzt einen Haftbefehl für Daniel Mercer erwirken?», fragte ich, als wir allein waren.
«Gott bewahre», sagte Newton und fixierte mich mit diesen Augen, die das Ewige und Unendliche geschaut hatten. «Wir lassen ihn auf freiem Fuß, in der Hoffnung, die Umlaufbahnen dieses Körpers, um es so auszudrücken, beobachten zu können.
Wir lassen ihn von Mister Kennedy observieren und werden dann befinden, welche Schlüsse seine Bewegungen nahe legen.
Das wird vielleicht mehr Licht in die Sache bringen als alles, was wir aus ihm herausbringen könnten, während er in diesem dunklen Loch säße. Vielleicht zieht er uns ja zu dem Kopf dieses ganzen Unternehmens hin, so wie Weinstein Wasser aus der Luft zieht.»
Wir kehrten in den Tower zurück, hinterließen Mister Kennedy, Newtons bestem Spion, eine Nachricht und unternahmen dann einen kleinen Rundgang durch die Münze, wo jetzt mehr Lärm herrschte als auf einem Schlachtfeld. Wir waren noch nicht lange dort, als Newton Münzmeister Neale auf uns zukommen sah und darauf reagierte wie jemand, der einen Tory in einem Whig-Club auftauchen sieht.
«Ich könnte schwören, dass er's ist. Ich will hängen, wenn er's nicht ist. Was in aller Welt will der denn hier?»
«Wer?», fragte ich, da ich Mister Neale noch nie zu Gesicht bekommen hatte, denn er war zwar offiziell für die Münze verantwortlich, erschien dort aber nur höchst selten.
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«Das, Mister Ellis, ist Mister Neale, der den Titel des Münzmeisters und obersten Münzwerkers führt, obwohl ich wetten könnte, dass er es für eine Art Schicksalsschlag hielte, wäre er je zu irgendeiner Art von Werktätigkeit gezwungen. Ja, ich glaube, es würde ihm die Freude an seinem Amt gänzlich verderben, würden ihn die Angelegenheiten der Münze je in seinen Vergnügungen und anderweitigen Projekten stören. Denn wie ich Euch schon sagte, überlässt er die Leitung dieser Münzanstalt ganz den Prüfern und seinem Assistenten.»
Während Newtons Ärge r über Mister Neales mangelnden Diensteifer vor sich hin detonierte wie Salpeter in einem Schmelztiegel, erblickte uns der Münzmeister, grüßte uns aufs Liebenswürdigste und kam auf uns zu.
Mister Neale war etwa sechzig, ein wenig fett, aber schmuck gekleidet, mit üppig gepuderter Perücke, Moiré-Seidenrock, goldtroddelgesäumten Handschuhen, einem eleganten Biberhut und einem pelzgefütterten Cape. An seiner Art zu reden erkannte ich
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