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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Wenn ich sie nur noch einmal sehen könnte.. . nur einen Blick auf sie werfen, nicht mehr. Dann das Buch für immer zuklappen.
    Ich ging weiter, an unserem Haus vorbei - vorbei an weiteren eisernen Negern mit roten Wassermelonenmündern und gestreiften Blusen, an anderen stattlichen Häusern mit efeuumrankten Säulenhallen und Veranden. Florida . Darunter ging's nicht. Warum nicht Cornwall oder Avalon oder das Schloß Carbonek? Ich begann, vor mich hin zu summen . . .«There was never knight in all this world so noble, so unselfish . . .» Und dann ergriff eine schreckliche Vorstellung von mir Besitz. Marco! An der Decke meines Gehirns baumelte Marco, der sich erhängt hatte. Tausendmal hatte er Mona seine Liebe gestanden, tausendmal hatte er sich zum Narren halten lassen, tausendmal hatte er sie gewarnt, er würde sich umbringen, wenn er keine Gnade vor ihren Augen finden könnte. Sie hatte ihn ausgelacht, ihn vor anderen lächerlich gemacht, ihn verachtet und gedemütigt. Aber was sie auch sagen oder tun mochte, er machte sich weiter zu ihrem Sklaven, überhäufte sie weiter mit Geschenken. Schon wenn er sie sah und ihr spöttisches Lachen hörte, knickte er zusammen und kroch vor ihr. Nichts konnte seine Liebe, seine Anbetung töten. Wenn sie ihn wegschickte, kehrte er auf seine Dachstube zurück, um Witze zu schreiben. (Er verdiente seinen Lebensunterhalt, der arme Teufel, durch Verkauf von Witzen an Zeitschriften.) Und jeden Pfennig, den er verdiente, gab er ihr, und sie nahm ihn entgegen, ohne auch nur danke zu sagen. («Geh jetzt, Hund!») Eines Morgens fand man ihn erhängt an einem Dachbalken in seiner Bodenkammer. Kein Abschiedsbrief. Nur eine in dem trüben Licht und dem staubigen Raum schwingende Leiche. Sein letzter Witz.
    Als ich die Nachricht von ihr erfuhr, sagte ich: «Marco? Wer ist schon Marco für mich?» Sie weinte bittere, bittere Tränen. Ich konnte ihr nur als Trost sagen: «Er hätte es sowieso früher oder später getan. Er war ein Selbstmördertyp.»
    «Du bist grausam», erwiderte sie, «du hast kein Herz.»
    Richtig, ich war herzlos. Aber es gab noch andere, die sie ebenso scheußlich behandelte. In meiner grausamen herzlosen Art erinnerte ich sie daran und sagte: «Wer ist der nächste?» Sie hielt sich die Ohren zu und lief aus dem Zimmer. Schrecklich. Zu schrecklich.
    Ich atmete den Duft der Syringen, der Bougainvilleas, der schweren roten Rosen ein und dachte für mich: «Vielleicht liebte dieser arme Teufel Marco sie so, wie ich einst Una geliebt habe. Vielleicht glaubte er, daß sich eines Tages ihre Mißachtung in Liebe verwandeln, daß sie ihn so sehen würde, wie er war, ein großes blutendes Herz, das von Zärtlichkeit und Verzeihen überquoll. Vielleicht kniete er jeden Abend, wenn er heimkam, nieder und betete. (Ohne erhört zu werden.) Hatte ich nicht auch jeden Abend gestöhnt, wenn ich zu Bett ging? Hatte ich nicht auch gebetet? Und wie! Es war schändlich, ein solches Beten, Betteln und Winseln. Wenn nur eine Stimme gesagt hätte: «Es ist hoffnungslos, du bist nicht der Mann für sie.» Dann hätte ich wahrscheinlich aufgegeben und einem anderen Platz gemacht. Oder wenigstens Gott verflucht, der mir ein solches Los zuerteilt hatte.
    Armer Marco! Er bat nicht darum, geliebt zu werden, sondern um die Erlaubnis zu lieben. Und immer dazu verdammt, Witze zu machen! Erst jetzt kommt mir zum Bewußtsein, was du damals gelitten und ausgehalten hast, lieber Marco. Jetzt kannst du dich ihrer erfreuen, von oben herab. Du kannst Tag und Nacht über sie wachen. Wenn sie dich im Leben nie so sah, wie du warst, kannst du sie wenigstens jetzt so sehen, wie sie ist. Du hattest zuviel Herz für deinen schwachen Körper. Selbst Guinevere war der großen Liebe unwürdig, die sie einflößte. Aber eine Königin schreitet so leicht einher, selbst wenn sie eine Laus zerdrückt...
    Der Tisch war gedeckt, das Essen wartete auf mich, als ich kam. Mona war in ungewöhnlich guter Stimmung.
    «Wie war's? Hat es dir Spaß gemacht?» rief sie und umschlang mich.
    Ich bemerkte die Blumen in der Vase und die Flasche Wein neben meinem Teller.
    «Napoleons Lieblingswein, den er sogar auf St. Helena trank.»
    «Was ist denn los?» fragte ich.
    Sie strömte über vor Freude. «Weiter nichts, als daß Pap die ersten fünfzig Seiten für wundervoll hält. Er war ganz begeistert.»
    «Wirklich? Erzähl mal. Was sagt er denn?»
    Sie war so überwältigt, daß sie sich nicht mehr an viel erinnern konnte. Wir

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