Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
Vom Netzwerk:
möglicherweise in der Zwischenzeit jemand gefunden. Diesmal einen Mann. Vielleicht war sie bereits eine gute Hausfrau. Solche Dinge passieren ab und zu.
    Nein, auch diese Hypothese verwarf ich, sie war für Stasia zu unwahrscheinlich.
    «Was plage ich mich mit solchen Sachen herum, zum Teufel noch mal!» sagte ich mir schließlich. Auf nach Europa, weiter nichts! Ich dachte an die Kastanienbäume, die jetzt zweifellos alle in Blüte standen, und an die kleinen Tische auf den dichtbesetzten Terrassen der Cafes (die gueridons) , an die Polizisten auf Fahrrädern, die paarweise die Straßen entlangradelten. Ich dachte auch an die Pissoirs. Wie reizend, direkt auf dem Bürgersteig sein Wasser abzuschlagen, während man dabei die lustwandelnden schönen Damen beobachten kann... Höchste Zeit, Französisch zu lernen . . . (oü sont les lavabos?) .
    Wenn wir soviel bekommen sollten, wie Mona sagte, konnten wir doch auch anderswohin gehen... nach Wien, Budapest, Prag, Kopenhagen, Rom, Stockholm, Amsterdam, Sofia, Bukarest. Warum nicht auch nach Algerien, Tunis oder Marokko? Ich dachte an meinen alten holländischen Freund, der eines Abends seine Botenuniform ausgezogen hatte und mit seinem Boss auf Reisen gegangen war. Er hatte mir von Sofia - Sofia mußte es sein! - und aus dem Wartezimmer der Königin von Rumänien irgendwo hoch oben in den Karpaten geschrieben. Und was war wohl aus O'Mara geworden? Auch ihn hätte ich gern mal wiedergesehen. Das war ein Freund . Was für einen Jux würde das geben, wenn wir ihn mit nach Europa nähmen - falls Mona zustimmen sollte. (Unmöglich natürlich.)
    Meine Gedanken wanderten ziellos umher. Immer, wenn ich in Stimmung war, wenn ich wußte, daß ich es jetzt fertigbringen würde, daß ich es jetzt sagen konnte, schweiften meine Gedanken auf einmal in alle Richtungen aus. Anstatt mich an die Maschine zu setzen und loszuklappern, blieb ich am Tisch sitzen und schmiedete Pläne, hing Wachträumen nach oder dachte an Menschen, die ich liebte, an die schönen Zeiten, die wir miteinander verbracht hatten, an unsere Unterhaltungen und an unsere Streiche. (Hoho! Haha!) Oder ich schlug etwas nach, was plötzlich sehr wichtig erschien und unbedingt erledigt werden mußte, oder ich dachte mir blendende Schachzüge aus, und um sicherzugehen, daß ich sie nicht vergessen würde, stellte ich die Figuren auf, schob sie umher und baute die Falle auf, in die ich den ersten besten, der mit mir spielen würde, hineinlocken wollte. Wenn ich dann endlich soweit war, die Tasten zu kitzeln, fiel mir plötzlich ein, daß ich auf Seite soundsoviel einen schweren Bock geschossen hatte, und wenn ich die Seite aufschlug, entdeckte ich, daß ganze Sätze nicht stimmten, keinen Sinn gaben oder genau das Gegenteil von dem besagten, was ich hatte sagen wollen. Beim Korrigieren sah ich dann die Notwendigkeit, meine Ausführungen zu ergänzen, und schrieb ganze Seiten, die ich, wie ich später feststellte, ebensogut hätte weglassen können.
    Das tat ich alles, um das große Ereignis hinauszuschieben. Tat ich es darum? Oder deshalb, weil ich, um ruhig und fließend zu schreiben, zuerst Dampf ablassen, das Tempo mäßigen, den Motor abkühlen mußte? Das Schreiben schien immer dann besser vonstatten zu gehen, wenn ich eine niedrigere, weniger von Leidenschaften bewegte Ebene erreicht hatte. Oben auf den Wellen inmitten der Schaumkronen bleiben konnte nur «The Ancient Mariner» .
    Wenn ich einmal so recht im Zuge war, einmal den richtigen Schritt gefunden hatte, war es wie beim Erdnußessen: ein Gedanke führte einen anderen herbei. Und wenn meine Finger flogen, drängten sich angenehme Vorstellungen dazwischen, die aber nichts mit dem Thema selbst zu tun hatten, ohne den Fluß zu stören, wie etwa diese: «Diese Stelle ist für dich, Ulric. Ich höre dich im voraus kichern.» Oder: «Wie wird O'Mara dies schlucken?» Sie begleiteten meine Gedanken wie spielende Delphine. Ich war wie ein Mann an der Ruderpinne, der sich duckt, wenn der Fisch über seinen Kopf fliegt. Mit vollen Segeln einherfahrend, wobei das Schiff, wenn auch schrägliegend, festen Kurs hielt, grüßte ich die durch meine Einbildungskraft hervorgezauberten anderen Schiffe, schwenkte mein Hemd, rief den Vögeln zu, jauchzte zu den Klippen hin, pries Gott wegen seiner «errettenden und erhaltenden Macht». Gogol hatte seine Troika, ich hatte mein schmuckes Segelschiff. Herrscher des Meeres, solange der Zauber vorhielt.
    Die letzten Seiten haute ich

Weitere Kostenlose Bücher