Nexus
brechen konnte. Was? Wieder Ramses? Der Teufel soll diese Pharaonen holen! Denk dir schnell was aus, du Idiot! Irgendwas .
«Habe ich euch schon erzählt...» begann ich.
«Verzeihung», sagte Mona, stand mit sichtlicher Anstrengung auf und stieß dabei einen Stuhl um, «habt ihr etwas dagegen, wenn ich mich ein paar Minuten hinlege? Ich habe schreckliche Kopfschmerzen.»
Sie hatte nur ein paar Schritte bis zur Couch. Ohne eine Antwort abzuwarten, sank sie hin und schloß die Augen.
(Um Himmels willen, fang nur nicht gleich an zu schnarchen!)
«Sie muß entsetzlich müde sein», meinte mein Vater. Er sah Stasia an. «Warum machen Sie nicht auch ein Nickerchen? Das wird Ihnen guttun.»
Er brauchte das nicht zweimal zu sagen. Sofort streckte sie sich neben der leblosen Mona aus.
«Hol eine Decke», sagte meine Mutter zu Lorette. «Die dünne aus dem Schrank oben.»
Die Couch war ein bißchen zu schmal für zwei. Sie drehten sich hin und her, stöhnten, kicherten, gähnten mit weit offenem Munde. Plötzlich - bums! - gaben die Federn nach, und Stasia lag auf dem Boden. Mona fand das ungeheuer komisch. Sie lachte sich schief. Wenn sie wenigstens nicht so laut gelacht hätte! Aber wie konnte sie schließlich wissen, daß diese kostbare Couch, die fast fünfzig Jahre überdauert hatte, noch zehn oder zwanzig Jahre ausgehalten hätte — wenn sie nicht so strapaziert worden wäre. «Bei uns daheim» lachte man nicht so schallend über ein solches Unglück.
Inzwischen war meine Mutter, so steif sie war, auf alle viere niedergegangen, um nachzusehen, wo die Couch zerbrochen war. (Sie sagte nie Couch, sondern Sofa.) Stasia lag an der Stelle, wohin sie gefallen war, als ob sie auf Anweisungen wartete. Meine Mutter umkreiste sie, hier und dann da, wie etwa ein Biber mit einem umgestürzten Baum umgegangen wäre. Lorette erschien jetzt mit der Decke. Wie benommen sah sie der Vorstellung zu. (So etwas hätte einfach nicht vorkommen dürfen.) Mein Vater andererseits, der in Reparaturarbeiten nie eine Leuchte gewesen war, suchte auf dem Hof Backsteine zusammen. «Wo ist der Hammer?» fragte meine Mutter. Als sie meinen Vater mit einem Armvoll Backsteine sah, wurde sie wütend. Sie wollte den Schaden richtig reparieren - und sofort.
«Das machen wir später», sagte der Alte. «Sie wollen doch jetzt schlafen.» Damit ging auch er auf alle viere nieder und schob die Backsteine unter die herabhängenden Federn.
Stasia richtete sich jetzt auf, gerade so weit, daß sie wieder auf die Couch gleiten konnte, und drehte ihr Gesicht der Wand zu. Sie lagen jetzt wie aneinandergereihte Löffel, friedlich und erschöpft wie Eichhörnchen im Winterschlaf. Ich blieb am Tisch sitzen und sah dem Ritus des Tischabdeckens zu. Ich hatte es schon tausendmal beobachtet. Die dabei ausgeführten Bewegungen blieben immer dieselben. In der Küche war es das gleiche. Das Wichtigste immer zuerst. ..
«Was für schlaue Luder!» dachte ich bei mir. Sie sollten abräumen und abspülen. Kopfweh! So eine simple Ausrede! Jetzt mußte ich die Tellermusik allein über mich ergehen lassen. Vielleicht war's besser so, da ich alle Handgriffe kannte. Jetzt war es auch gleich, was für ein Unterhaltungsthema auf's Tapet kam - tote Katzen, die Jagd auf die Küchenschaben im vergangenen Jahr, Frau Schwabenhofs Krebsleiden,
die Predigt vom vergangenen Sonntag, Teppichkehrmaschinen, Weber und Fields oder die Ballade vom letzten Spielmann. Ich würde meine Augen schon offenhalten, und wenn es bis Mitternacht dauerte. (Wie lange sie wohl schlafen würden, die versoffenen Luder?) Wenn sie sich beim Erwachen ausgeruht fühlten, kam es ihnen womöglich nicht darauf an, wie lange sie blieben. Ich wußte, wir würden am Abend noch etwas zu essen bekommen. Zu Weihnachten kann man sich nicht um fünf oder sechs Uhr wegschleichen. Wir konnten auch nicht gehen, bevor wir uns unter dem Christbaum versammelt hatten, um das schreckliche Lied «O Tannenbaum» zu singen. Und darauf würde ein vollständiger Katalog aller Christbäume folgen, die wir je gehabt hatten: welcher war wohl der schönste gewesen? Und dann würde es über mich hergehen. Wie ich als Knabe vor Ungeduld brannte, endlich die Geschenke zu sehen, die unter dem Baum lagen. (Wie Lorette als Mädchen gewesen war, davon wurde nie gesprochen.) Was für ein Wunderknabe ich doch gewesen war! Ich las so fleißig und spielte so gut Klavier. Dann kamen die Räder und Rollschuhe an die Reihe, mit denen ich mich vergnügt
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