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Nexus

Nexus

Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Amerika den Amerikanern! Vorwärts marsch! Gebt mir Freiheit oder gebt mir den Tod! (Was ist der Unterschied?) Eine unteilbare Nation et cetera, et cetera. Sehvermögen 20-20, Ehrgeiz - grenzenlos, Vergangenheit makellos, Energie unerschöpflich, Zukunft wunderbar. Keine Krankheiten, keine Angehörigen, keine Komplexe, keine Laster. Zur Arbeit geboren wie ein Holzknecht, gewohnt, in Reih' und Glied zu marschieren, die Flagge zu grüßen - die amerikanische Flagge -, und immer bereit, dem Feind eins auszuwischen. Eine Chance, Mister, ist alles, was ich will.
    «Zu spät!» sagte eine Stimme aus dem Dunkel.
    «Zu spät? Wieso?»
    «Wez'L' Weil 26, 595, 493 zuerst kommen, alles erprobte Kataleptiker und aus reinem fleckenlosem Stahl. Alles Hundertprozentige bis ins Mark, jeder mit einem Zulassungszeugnis vom Gesundheitsamt, von der Gesellschaft zur Förderung christlicher Weltanschauung, von den Töchtern der Revolution und dem Ku-Klux-Klan.»
    «Gebt mir ein Gewehr!» flehe ich. «Gebt mir ein Schießgewehr, daß ich mir eine Kugel vor den Kopf knallen kann. Sonst sterbe ich vor Schande.»
    Und schändlich war es in der Tat. Noch schlimmer, es war ein Haufen Pferdedreck, in dem ich bis zum Halse steckte.
    «Der Teufel soll sie holen!» brüllte ich. «Ich kenne meine Rechte.»
7
    Der Gedanke, daß sie mich wie einen Hund hier zurücklassen könnten, während sie auf eigene Rechnung Europa erforschten, wurmte mich, machte mich reizbarer und unruhiger als je und manchmal direkt diabolisch. An einem Tag ging ich fort, um mir eine Stellung zu suchen, entschlossen, auf meinen eigenen zwei Füßen zu stehen, und am nächsten blieb ich zu Hause und plagte mich mit meinem Stück ab. Abends, wenn wir am «Ausgußtisch» saßen, machte ich mir Notizen über ihre Unterhaltung.
    «Warum tust du das?» fragten sie dann.
    «Um euch auf euren Lügen zu ertappen», antwortete ich dann wohl. Oder: «Ich kann das vielleicht für mein Stück brauchen.»
    Solche Bemerkungen gaben ihren Dialogen Würze. Sie taten alles, um mich von der Spur abzubringen. Manchmal sprachen sie wie Strindberg, manchmal wie Maxwell Bodenheim. Um die Verwirrung noch zu steigern, las ich ihnen kompromittierende Abschnitte aus meinem Notizbuch vor, das ich jetzt bei meinen Ausflügen ins Village mit mir führte. Manchmal war es eine wörtlich wiedergegebene Unterhaltung, die ich vor einem Cafe oder einem Nachtklub gehört hatte, manchmal eine Schilderung der Vorgänge, die ich in solchen Lokalen beobachtet hatte. Geschickt dazwischengestreut waren Bruchstücke von Bemerkungen, die ich über sie beide gehört hatte oder behauptete, gehört zu haben. Gewöhnlich waren sie erfunden, kamen jedoch der Wirklichkeit so nahe, daß sie verdutzt waren und dann die Wahrheit herausplapperten, was ich ja damit erreichen wollte.
    Wenn sie ihre Selbstbeherrschung verloren, widersprachen sie sich und offenbarten dann Dinge, die ich sonst nicht erfahren hätte. Schließlich tat ich so, als müßte ich nun unbedingt das Stück schreiben, und ich bat sie, ein Diktat aufzunehmen. Ich hätte mich entschlossen, so sagte ich, den letzten Akt zuerst zu schreiben, das sei leichter. Mein wahrer Beweggrund war natürlich, ihnen zu zeigen, wie diese menage à trois enden würde. Das erforderte ein bißchen Schauspielerei und rasches Denken von mir.
    Stasia machte den Vorschlag, sie wolle das Diktat aufnehmen, und Mona sollte zuhören und Anregungen geben. Um einen besseren Dramaturgen abzugeben, ging ich auf und ab, rauchte eine Zigarette nach der anderen und nahm dann und wann einen Schluck aus der Flasche, während ich wie ein Filmregisseur gestikulierte und die Personen selbst spielte, wobei ich die beiden so nachahmte, daß sie bald hysterisch wurden, besonders wenn ich Pseudoliebesszenen in Angriff nahm, in denen ich sie so hinstellte, als schwindelten sie mir nur vor , ineinander verliebt zu sein. Ich legte nur ab und zu plötzlich eine Pause ein, um sie zu fragen, ob sie diese Szenen für zu unwirklich, zu weit hergeholt fänden und so weiter. Manchmal geboten sie mir Halt und ergingen sich weitschweifig über die Genauigkeit meiner Porträtschilderung oder des Dialogs, dann wetteiferten sie miteinander und lieferten mir weitere Anregungen und Aufschlüsse. Wir sprachen alle auf einmal und spielten unsere Rollen, jeder nach seiner Art, ohne daß jemand Aufzeichnungen machte, so daß später, wenn wir wieder zur Ruhe kamen, niemand sich erinnern konnte, was der andere gesagt oder

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