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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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wie gewöhnlich zur Arbeit. Ich mußte eine gute Stunde warten, bis Tony kam. Als er mich erblickte, fragte er: «Was ist geschehen?»
    Ich erzählte es ihm kurz. Er war die Güte selbst. «Laß uns gehen und einen trinken», sagte er. «Die Arbeit läuft uns nicht davon. Der hohe Herr kommt heute nicht, wir können es uns gemütlich machen.»
    Wir tranken erst einige Gläschen und aßen dann zu Mittag. Nach einem guten Essen eine gute Zigarre. Kein Wort des Vorwurfs für Mona.
    Erst als wir zum Büro zurückgingen, erlaubte er sich eine harmlose Bemerkung. «Ich bin platt, Henry. Auch ich habe eine Menge Schwierigkeiten, aber nie solche.»
    Im Büro erklärte er mir noch einmal, was ich zu tun hatte. «Den anderen werde ich dich morgen vorstellen», sagte er. (Wenn du dich wieder gefaßt hast, meinte er.) Ich würde sicher leicht mit ihnen auskommen.
    So verging dieser Tag und der nächste.
    Ich wurde mit den anderen Bürohengsten bekannt gemacht. Alles Zeitabsitzer, die nur auf ihre Pension warteten. Fast alle waren aus Brooklyn, alles gewöhnliche Kerle, und sie sprachen auch das breite Brooklynsche Kauderwelsch. Aber alle waren bemüht, mir behilflich zu sein.
    Einer war unter ihnen, ein Buchhalter, zu dem ich mich sofort einigermaßen hingezogen fühlte. Paddy Mahoney hieß er. Er war Ire und katholisch, beschränkt, rechthaberisch und streitsüchtig wie alle diese katholischen Iren. Das waren alles Eigenschaften, die ich hasse, aber weil er wie ich aus dem vierzehnten Bezirk stammte — er war in Greenpoint geboren und aufgewachsen -, kamen wir wunderbar miteinander aus. Sobald Tony und der Direktor fort waren, kam er an meinen Tisch, um bis zum Schluß der Bürozeit mit mir zu schwatzen.
    Am Mittwochmorgen fand ich ein Funktelegramm auf dem Tisch. «Benötigen fünfzig Dollar vor der Landung. Bitte sofort telegrafisch anweisen.»
    Als Tony erschien, zeigte ich ihm die Depesche. «Was willst du tun?» fragte er.
    «Das möchte ich ja gerade wissen», antwortete ich.
    «Du wirst ihnen doch kein Geld schicken . .. nach allem, was sie dir angetan haben?»
    Ich sah ihn hilflos an. «Das werde ich wohl müssen», erwiderte ich.
    «Sei doch kein Dummkopf», sagte er. «Sie haben sich ihr Bett selbst gemacht, jetzt sollen sie drin liegen.»
    Ich hatte gehofft, er würde sagen, ich könnte mir einen Vorschuß nehmen. Entmutigt machte ich mich an die Arbeit. Ich dachte aber nur daran, wie ich mir wohl diese Summe verschaffen könnte. Tony war meine einzige Hoffnung, aber ich hatte nicht den Mut, ihn zu drängen. Das war unmöglich - er hatte bereits mehr für mich getan, als ich verdiente.
    Nach dem Mittagessen, das er gewöhnlich mit seinen politischen Freunden im nahegelegenen Village einnahm, kam er mit einer dicken Zigarre und mit einer ziemlich langen Alkoholfahne ins Büro. Er setzte sein breites Lächeln auf, das ich so gut von der Schule her kannte. Er lachte immer so, wenn er einen dummen Streich vorhatte.
    «Na, wie geht's? Du gewöhnst dich langsam dran, wie? Gar kein so schlechter Arbeitsplatz, was ?»
    Er kippte seinen Hut über die Schulter, sank tief in seinen Drehstuhl und legte die Füße auf den Tisch. Er tat einen guten, langen Zug an seiner Zigarre, wandte sich leicht in die Richtung, in der ich saß, und sagte: «Ich glaube, ich verstehe von Frauen nicht viel, Henry. Ich bin ein geborener Junggeselle. Du bist anders. Du machst dir anscheinend nichts aus Komplikationen. Als du mir heute morgen von dem Telegramm erzähltest, hielt ich dich für einen Dummkopf. Ich denke jetzt anders darüber. Du brauchst Hilfe, und ich glaube, ich bin der einzige, der dir helfen kann. Ich möchte dir gern unter die Arme greifen. Erlaube mir, daß ich dir die benötigte Summe leihe. Ich kann dir keinen Vorschuß verschaffen, dazu bist du noch nicht lange genug hier. Übrigens würde das eine Menge unnötiger Fragen zur Folge haben.» Er griff in die Tasche und zog ein Päckchen Banknoten heraus. «Du kannst mir fünf Dollar wöchentlich zurückzahlen, wenn es dir möglich ist. Aber gib acht, daß sie dich nicht noch mal anzapfen! Sei eisern!»
    Nach ein paar weiteren Worten schickte er sich zum Gehen an. «Meine Arbeit ist für heute getan. Wenn du Schwierigkeiten haben solltest, ruf mich an.»
    «Wo?»
    «Frag Paddy, der wird's dir sagen.»
    Im Verlauf der nächsten Tage milderte sich der Schmerz. Tony gab mir genug zu tun, zweifellos absichtlich. Er sorgte auch dafür, daß ich mit dem Obergärtner bekannt wurde. Ich

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