Nexus
glitschig. Obwohl er selbst nichts tat, was sein Gewissen belastete, mußte er doch die Augen vor Handlungen und Praktiken verschließen, die ihn mit Abscheu erfüllten. Er mußte auch mit Geld um sich werfen. Aber trotz seiner Schulden hatte er es fertiggebracht, seinen Eltern das Haus, in dem sie wohnten, zum Geschenk zu machen. Dazu ließ er seine zwei jüngeren Brüder studieren. Eines Tages sagte er zu mir: «Selbst wenn ich heiraten wollte, könnte ich es nicht. Ich kann mir keine Frau leisten.»
Als er mir eines Tages wieder von seinen Leiden erzählte, sagte er: «Meine schönsten Tage hatte ich als Präsident des Sportklubs. Erinnerst du dich? Da hatte ich noch nichts mit Politik zu tun. Sag mal, weißt du noch, wie ich den Marathonlauf mitmachte und man mich ins Krankenhaus bringen mußte? Damals war ich auf der Höhe.» Er blickte auf seinen Nabel nieder und strich sich über den Bauch. «Das kommt davon, daß ich die halbe Nacht mit den Jungens aufsitzen muß. Fragst du dich nicht mal, warum ich jeden Tag zu spät komme? Ich komme nie vor drei oder vier Uhr morgens zu Bett. Dauernd habe ich einen Kater. Gott, wenn meine Leute wüßten, was ich alles tue, um mir einen Namen zu machen, würden sie mich verleugnen. Das kommt davon, wenn man Sohn eines Einwanderers ist. Weil ich ein schmutziger Gassenjunge war, mußte ich mich bewähren. Du kannst von Glück sagen, daß du keinen Ehrgeiz hast. Du willst nichts vom Leben, als Schriftsteller sein, was? Und du brauchst nicht durch einen Haufen Scheiße zu waten, um einer zu werden, nicht wahr?
Henry, mein Junge, manchmal sieht alles so hoffnungslos aus. Wenn ich nun eines Tages Präsident werde . . . was dann? Meinst du, daß ich dann wirklich alles ändern kann? Ehrlich gestanden, ich glaube das nicht einmal selbst. Du kannst dir nicht vorstellen, was dies für ein verzwickter Beruf ist. Jedem mußt du schöntun, ob dir das gefällt oder nicht. Selbst Lincoln mußte Kompromisse schließen, und ich bin kein Lincoln. Nein, ich bin nur ein sizilianischer Junge, der, wenn die Götter mir günstig sind, eines Tages in den Kongreß kommen wird. Aber ich habe noch meine Träume. Das ist das einzige, was du dir in diesem Beruf leisten kannst - Träume .
Ja, der Sportklub . . . Bei allen war ich angesehen. Ich war der Leuchtturm des ganzen Viertels. Der Sohn des Schuhmachers, der sich von unten heraufgearbeitet hatte. Wenn ich mich erhob, um eine Rede zu halten, waren alle schon hingerissen, ehe ich noch den Mund öffnete.»
Er machte eine Pause, um seine Zigarre wieder anzuzünden. Er tat einen Zug und warf sie mit einer Grimasse des Ekels weg.
«Jetzt ist alles anders, jetzt bin ich ein Rädchen in der Maschine. Meistens ein Jasager. Ich muß meine Zeit abwarten und gerate immer tiefer in Schulden. Mann, wenn du meine Probleme hättest, würdest du jetzt schon graue Haare haben. Du weißt nicht, wie schwer es ist, die Hände inmitten der Versuchungen, die einen umgeben, rein zu halten. Ein kleiner Fehltritt, und du bist geliefert. Jeder versucht, dem anderen etwas anzuhängen. Das hält sie wahrscheinlich zusammen, diese kläglichen Kerle. Ich bin nur froh, daß ich kein Richter bin, denn wenn ich diese Burschen verurteilen müßte, würde ich keine Gnade kennen. Es ist mir unverständlich, wie ein Land auf Intrigen und Korruption gedeihen kann. Es müssen höhere Mächte über unseren Staat wachen ...»
Er hielt mitten in der Rede inne. «Denk nicht mehr dran!» sagte er dann. «Ich lasse nur Dampf ab. Aber vielleicht wird es dir jetzt klar, daß ich nicht auf Rosen gebettet bin.»
Er stand auf und griff nach seinem Hut. «Was ich noch sagen wollte - wie steht es mit dir? Brauchst du noch Geld? Genier dich nicht, selbst wenn du es für deine Frau haben müßtest. Wie geht es ihr übrigens? Immer noch im fröhlichen Paris?»
Ich verzog mein Gesicht zu einem breiten Grinsen.
«Henry, mein Junge, du bist fein dran. Du hast Glück, daß sie dort ist und nicht hier. Da hast du eine Atempause. Keine Angst, sie wird vielleicht früher wieder hier sein, als du glaubst... Ich vergaß übrigens, dir zu sagen, daß der Direktor große Stücke auf dich hält. Ich auch. Ta-ta denn!»
Abends nach dem Essen machte ich gewöhnlich einen Spaziergang, entweder zum chinesischen Friedhof oder nach der anderen Seite, wo ich an Una Giffords Haus vorüberkam. An der Ecke stand wie eine Schildwache Abend für Abend, Winter wie Sommer, der alte Martin. Es war schwer, an ihm
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