Nibelungen 08 - Der Ketzerfürst
Tor jetzt fast erreicht. Zwei fränkische Krieger in schlichten grauen Tuniken standen dort Wache. Ihre schw e ren eisernen Helme lagen neben ihnen auf dem Boden. Im Toreingang lehnten rote Rundschilde. Einer der Männer baute sich mitten unter dem Torbogen auf und versperrte den Weg, während der andere seinen Speer fortlegte und ihnen entg e genkam.
»Woher des Weges, Fremde?«
Volker hob die Rechte zum Gruß. »Wir kommen aus Castra Bonna und waren dort Gäste des Grafen Ricchar. Unsere Reise führt uns nach Treveris. Wir wollen hier einige Tage Quartier nehmen.«
Der Wächter runzelte die Stirn. »Ihr solltet besser nicht zu lange bleiben. Bald wird der Regen kommen. Dann ist es keine Freude, über die Berge zu müssen. Aber das soll nicht meine Sorge sein. Ihr habt für jedes Bein, das unsere Stadt betritt ein Kupferstück Torzoll zu entrichten, Herr.«
Der Spielmann griff nach dem Geldbeutel an seinem Gürtel, öffnete ihn und warf dem Soldaten zwei Silberstücke zu. Golo biß grimmig die Zähne aufeinander. Volker war zu großzügig! Dieser Torzoll war Wucher, und dem Franken auch noch mehr zu geben, als er verlangte … Die Adligen wußten einfach nicht mit Geld umzugehen! Wenn Volker so weitermachte, wäre ihre Reisekasse noch vor Mitte des Winters dahin.
Der Wachposten unter dem Torbogen trat beiseite und ließ sie passieren. »Reitet die Straße gerade hinauf bis zum Mark t platz«, rief der Soldat ihnen nach. »Dort hält unser Magister Equitum Gericht. Wenn Ihr Euch beeilt, könnt Ihr sicher noch der Urteilsvollstreckung beiwohnen.«
Volker nickte beiläufig. »Wo finde ich eine Schenke, in der wir Nachtquartier nehmen können.«
»Am Marktplatz. Jedenfalls wenn Ihr eine Unterkunft sucht, die Eurem Rang entspricht, Herr. Vielleicht könnt Ihr auch im Praetorium untergebracht werden, wenn Ihr den Magister Equitum fragt. Als Gäste des Grafen Ricchar hättet Ihr ein A n recht darauf.«
Golo zuckte bei den letzten Worten zusammen. Er verspürte nicht die geringste Lust, schon wieder die Gastfreundschaft von Franken zu genießen. Golo wartete, bis sie außer Hörweite der Wachen waren. »Wir werden doch nicht bei diesem fränkischen Statthalter absteigen, oder?«
Der Spielmann drehte sich im Sattel um und grinste. »Du möchtest also lieber Geld für unsere Unterkunft ausgeben? Du drehst doch sonst jedes Kupferstück zweimal um … Nun, wir sollten versuchen, dem Statthalter aus dem Weg zu gehen. Sonst würden wir womöglich noch eingeladen, und dann gäbe es kein Zurück mehr.«
»Das heißt, wir nehmen die Schenke?«
»Ich will heute abend mit meiner Laute auf dem Schoß zw i schen einfachen Leuten sitzen und meine Lieder spielen. So werde ich gewiß mehr über den Feuervogel erfahren als in e i ner Tafelrunde zwischen Offizieren. Wir nehmen die Schenke!«
Golo war erleichtert. Den Magister Equitum zu meiden kon n te ja nicht so schwer sein. Neugierig betrachtete Golo die Hä u ser entlang der Straße. Sie waren zum größten Teil aus Stein oder aus gebrannten Ziegeln errichtet, und fast alle hatten zwei oder drei Geschosse. Nur hier und dort gab es einfachere Fachwerkbauten, die Wände mit Lehm verputzt und die D ä cher aus schlichten Holzschindeln oder Ried.
Am Ende der Straße konnten sie einen Pulk von Menschen sehen. Sie schienen jemandem zu lauschen. Der Wind trug ei n zelne Wortfetzen zu ihnen. »Empörer … in die ewige Finsternis stoßen … der Fürst des Lichtes … «
Golo blickte zu Volker. Der Spielmann blickte starr zum Ende der Straße, so, als würde er von einer unsichtbaren Macht dor t hin gezogen. Mechthild hatte sich dicht an seine Schulter g e drängt. Golo schluckte. Das Mädchen tat ihm leid. Sie hätte nicht hier sein sollen. Er räusperte sich. Er wollte etwas sagen, doch sein Mund war trocken wie Staub. Der Abstand zu Volker hatte sich etwas vergrößert. Dumpf hallte der Hufschlag ihrer Pferde von den Häuserwänden. Einige der Schaulustigen am Ende der Straße wandten sich zu ihnen um. Die Stimme des Redners war verstummt. Einen Atemzug lang herrschte Stille. Dann lief ein Raunen wie Meeresbrandung durch die Menge.
Die beiden Ritter hatten jetzt fast das Ende der Straße erreicht. Einige der Männer und Frauen wichen vor ihnen zurück. Sie hatten verhärmte Gesichter. Deutlich konnte Golo hören, wie ein Weib mit schwarzem Kopftuch dem Mann an ihrer Seite zuflüsterte: »Das hatte Pater Anselmus nicht verdient. Er hat nie etwas Unrechtes getan. Sie hätten ihn
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