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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merchant
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das sonst nicht mache, heißt das ja nicht, dass ich es nicht kann.« Er hatte das ungute Gefühl, dass das Gespräch die Richtung gewechselt hatte.
    »Ich habe inzwischen viel nachdenken können.«
    Jan schwieg. Er war noch nicht fertig gewesen mit dem Gespräch über Edith, und es verstimmte ihn, wie rasch Nicoletta das Thema an sich riss.
    »Ich glaube, in den Monaten vor der Hochzeit ist einiges schiefgelaufen bei uns.«
    »Das kann sein.«
    »Das kann nicht nur sein, das ist auch so!«
    »Ich kann dir nur sagen, wie leid mir das alles tut.«
    »Ich will gar nicht hören, wie leid dir das tut. Ich will einfach nur wissen, wie es dazu gekommen ist. Ich denke immer wieder darüber nach und komme zu keinem Ergebnis. Ist das jetzt so ein simples Mann-Frau-Ding, dass Männer einfach untreu sind?«
    Jan musste unwillkürlich an Michael Sippmeyer denken. Wie mochte er geantwortet haben, wenn er zur Rede gestellt wurde, immer wieder und wieder? Oder hatte seine Frau ihn nicht zur Rede gestellt, sondern klaglos alles ertragen?
    »Ich weiß es nicht«, sagte er.
    »Vielleicht hätten wir mehr reden sollen. Irgendwie haben wir immer nur über die Gästeliste geredet und das Menü und so. Vielleicht hätten wir ja mal über was anderes reden sollen, zum Beispiel über unser Sexleben. Das war ja nun auch schon mal besser als in den letzten Monaten.«
    Jan sagte nichts. Er starrte nur auf ihre Hand und wünschte brennend, den Ring daran zu sehen.
    »Du sagst ja gar nichts.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin ein Idiot. Es tut mir leid. Mehr kann ich nicht sagen.«
    »Aber das kann doch nicht alles sein! Du musst doch einen Grund gehabt haben, irgendwas … Das macht man doch nicht einfach so.« Ihre Stimme klang ungeduldig. Ihm wäre lieber, sie hätte traurig geklungen oder ängstlich.
    Jetzt!, dachte er. Jetzt ist der Moment, um Klartext zu reden. Tu es!
    »Jan?«
    Er fühlte nur eine bodenlose Erschöpfung. »Es ist nichts. Männer sind einfach so, ganz wie du sagst. Ich hatte keinen Grund. Ich war einfach nur saudoof. Irgendwie dachte ich, kurz vor der Hochzeit müsste ich mal …« Er stockte.
    »Ist das wahr?«
    »Ja.« Er hielt ihren Blick aus, ohne zu blinzeln. Unter ihren prüfenden Augen fühlte er sich wie in einer Befragung. Er dachte an Sippmeyer und daran, wie schlecht dieser gelogen hatte. Wenn man wollte, dass die Polizei einem glaubte, musste man zwischendurch blinzeln. Zu starrer Blickkontakt verriet den Lügner.
    Er blinzelte.
    Sie nickte, als habe er bestanden.
    »Und was macht die neue Wohnung? Fühlst du dich wohl?«, fragte sie weiter, und kurz wurde ihm von dem Themenwechsel schwindlig.
    »Ja, klar«, sagte er. »Sie ist fast fertig.«
    »Aber einen Schlüssel hast du schon?« Sie legte ihre gepflegte leichte Hand auf seine.
    Ihm wurde warm, zum ersten Mal an diesem Abend.
    Sie will mich zurück, dachte er.
    »Warum willst du mich überhaupt zurück?«, fragte er.
    Sie lächelte, und ihr Muttermal hüpfte in die Höhe. »Das zeig ich dir, wenn wir bei mir sind. Los, lass uns zahlen!«
    *
    Das Atelier war eiskalt und dunkel, und das war ihr gerade recht, denn es passte zu ihrer Stimmung.
    Sie war nicht gekommen, um zu malen, denn sie hatte begriffen, dass das vergeblich wäre. Sie war gekommen, um allein zu sein.
    Sie hatte diesen Tag mit zu vielen Menschen verbracht, das hätte sie nicht tun sollen. Menschen taten ihr nicht gut. Sie brauchte ihre Ruhe. Und sie sollte sich davor hüten, Menschen an sich heranzulassen, zu denen sie bisher so sorgfältig Abstand gehalten hatte.
    Sven. Der einsame, verletzliche Sven, der glaubte, er habe irgendein Geheimnis entdeckt. Was mochte das wohl sein?
    Sie hatte diesen Jungen niemals kennenlernen wollen. Sie wollte ihre Schuld nicht vermehren, indem sie Michaels Sohn zwang, entweder eine Beziehung zu ihr aufzubauen oder aber genau diese zu verweigern und dadurch den Konflikt mit seinem Vater zu verstärken.
    Menschen. Es gab zu viele davon, ohnehin. Die ganze Stadt war voll von überflüssigen Menschen, die herumrannten, Schund kauften, laut schnatternd die Straßen verstopften.
    Und heute waren es zwei zu viel gewesen.
    Sie musste Michael loswerden. Warum hatte sie es ihm nicht einfach gesagt?
    Weil ich es nicht konnte, dachte sie. Weil ich es selbst nicht normal finde, wie schnell sich meine Gefühle verändern. Noch vor wenigen Tagen war alles in Ordnung, mehr als in Ordnung, da war Liebe zwischen uns oder zumindest etwas sehr Ähnliches, da war

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