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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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erkennen konnten, um was für Einsätze es beim Würfeln gegangen war. Inzwischen hatte sich ein zweiter Hund dem von Simon angeschlossen.
    Bis sie sich durch die Hintertür ins Freie gekämpft hatten, war Claes auf und davon, doch in der Wijngaardstraat schwang eine kleine Tür in den Angeln. Da beide Hunde vor dieser zu bellen anfingen, rissen sie sie auf und stürmten hinein, durch einen Innenhof zu einer Tür hinauf, die ihnen, als sie dagegenhämmerten, von einem höflichen beleibten Herrn geöffnet wurde. Er trug nur ein lose umgeschlungenes Badetuch, das augenblicklich Beute der Hunde wurde.
    Niemand tröstete ihn. Und die Kaufleute und Stoffhändler hörten auch nicht auf seinen Rat, obwohl er sich hier auskannte, sondern rannten Simon nach, von einem Durchgang in einen Empfangsraum und weiter in ein Gewirr von Räumen, in denen es, wie im Paradies, nichts als weiß wogende Wolken und rosige Körper gab, unter ihnen die einiger Stoffhändler, einer Hebamme, zweier Ratsherren, des Vorstehers des Zollamts, eines Dompropsts, zweier Zunftschwestern und eines Glockengießers mit Muskeln wie Ankerketten.
    In dem Dampf war ein fliehender Lehrling nicht auszumachen, ja er wurde genaugenommen nicht einmal ernsthaft gesucht. Zwei der Verfolger hatten Pech, sie rutschten auf den glitschigen Fliesen aus und plumpsten ins Wasser, Opfer der Hitze, des Lärms und der unachtsamen Bewegungen der Badenden. Als sie später triefnaß wieder in die Septembernacht hinaustraten, wären sie gewiß gleich nach Hause gegangen, hätte nicht der Anblick Simons, der mit drei, vier Hunden auf den Fersen wild entschlossen und leichtfüßig vor ihnen herrannte, sie davon abgehalten.
    Sie folgten ihm und sahen den jungen Halunken, der an der ganzen Aufregung schuld war, durch die Dunkelheit zum Kai laufen und dann die Treppe hinunter zum Wasser. Einen Augenblick später scherte eines der langen, dort vertäuten Boote aus und wurde in Richtung Damme zur Kanalmitte gestakt. Simon blieb auf den Stufen stehen, wandte sich dann um, stürmte den Kai hinauf und rannte mit den Hunden auf die nächste Brücke zu. Mit zunehmendem Abstand folgten keuchend die Kaufleute und Stoffhändler, einige neugierige Bürger und der Pförtner des Badehauses, der reines Wohlwollen ausstrahlte und die Bereitschaft, sich von jedem, der es wollte, bestechen zu lassen.
    Der Lehrling mochte noch so kraftvoll mit dem Ruder staken, er war doch allein in einem Boot, das zum Staken zu breit war. Schwerfällig trieb es auf die Brücke zu, gerade als der schottische Edelmann, der körperlich geübt war, sie hinaufrannte und mit ausgebreiteten Armen das Gleichgewicht haltend sprang.
    Vermutlich schlug ihm schon beim Sprung der Gestank entgegen. Und vermutlich wußte er, noch ehe er auf dem voll beladenen Boot landete, wo er hingesprungen war. Jedenfalls prallte er zuerst gegen den Jungen, dem das Ruder aus der Hand und ins Wasser fiel. Dann trafen Lord Simons Füße auf die Ladung, er strauchelte und sank in etwas ein, das mit quietschenden, unnatürlich grunzenden und seltsam fiependen Geräuschen antwortete, jedes getragen von einem Schwall üblen Geruchs. Luft aus den Därmen und Blasen der verendeten Hunde und Katzen Brügges sowie der kleinen toten Schweine von St. Antonius, die dieses Kadaverboot jede Nacht aus dem Wasser fischte.
    Und nun lag bedauerlicherweise der schottische Lord mitten unter ihnen. Das einzige Ruder war über Bord gegangen, und Claes war mit einem unbeholfenen Kopfsprung gefolgt. Zum zweiten Mal binnen zwei Tagen kämpfte er sich durch das trübe Wasser des Kanals zum anderen Ufer. Simon von Kilmirren, den es hörbar würgte, sprang auf, stieß sich ab und setzte mit geübten, mühelos ausholenden Schwimmzügen dem wild um sich schlagenden Lehrling nach.
    An beiden Ufern liefen die Kaufleute neben ihm her, begleitet von den Hunden. Im Schein ihrer Laternen sahen sie ihn gegen die Strömung ankämpfen und dem dunkleren Schopf folgen, der vor ihm im Wasser auf und ab tanzte. Weiter vorne erhoben sich die Brücke bei der Poorterslogie und das hohe, gitterartig verzierte Gebäude selbst, der Versammlungsort der Gesellschaft Weißer Bär.
    Der Bursche war kein guter Schwimmer. Er wußte bestimmt, wie rasch Lord Simon aufholte, und mußte also wohl oder übel bei der Poorterslogie anlanden. Falls er es bis dorthin schaffte - was durchaus möglich war -, würde er jedoch kaum vor der Hundemeute dort ankommen. Ein Jammer. Ein Jammer, daß er es überhaupt so

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