Niccolòs Aufstieg
ehe sie sie in ihren Taschen verstauten, und nutzten wie jeder Bankier die Gelegenheit, einen Blick auf die anderen Briefschaften zu werfen. Eine Mitteilung von Marco Corner, dem venezianischen Kaufmann, an seinen Verwandten Giorgio hier in Genf. Eine von Jacopo Strozzi an Marco Parenti, den Seidenhändler und Ehemann von Lorenzos Schwester Caterina, der in Florenz lebte. Eine von Jacopo und Aaron Doria an Paul Doria in Genua, zu Händen des Mailänder Vertreters der San- Giorgio-Bank. Und mindestens ein Dutzend an die Medici-Bank in Mailand mit unterschiedlichen Siegeln, die in teuerstem Wachs abgebildete Heiligenfiguren zeigten.
Sassetti griff mit dicken Fingern zu. »Der Bischof von St. Andrews in Schottland«, sagte er. »Annaten natürlich. Oder vielleicht eine päpstliche Kollekte? Jetzt ist mir klar, warum unsere kleine Sendung so schwer bewacht wird. Was würde aus dem Angriff des Papstes gegen die Türken werden, wenn das Gold ihn nicht erreicht?«
»Mein lieber Sassetti«, sagte Jaak de Fleury ironisch. »Glaubt jemand ernsthaft, daß dieser einstige Weiberheld im Vatikan je genug Geld zusammenbringen wird, um auch nur ein Ruderboot auf den Weg zu schicken? Wird Burgund ihn unterstützen? Nein. Wird Mailand auch nur einen Finger rühren? Und all diese gesalbten Betbrüder, die er aus dem Osten herbeibeschworen hat, damit sie ihm die frommen Hände zum gemeinsamen Kreuzzug reichen - was wollen die denn anderes als ein Haus und eine Rente und ein paar halbwegs gebildete Schüler, die der Nachwelt auf griechisch ihr Lob singen?«
Der Kaufmann zuckte die prächtig bekleideten Schultern und seufzte. »Der König von Schottland muß verrückt sein, wenn er Geld schickt. Seine Schwester ist auf jeden Fall eine Närrin. Sie lebte jahrelang als Verlobte des Herzogs von Genf hier, bis der König von Frankreich darauf hinwies, wie unpassend eine solche Ehe wäre, und man sie nach Schottland zurückgeschickt hat.«
»Sie war die Cousine von Bischof Kennedy«, bemerkte Julius. »Vielleicht gibt es da eine Mitgift zurückzuholen.«
Die beiden Medici-Vertreter, die darüber Bescheid wissen mußten, schwiegen sich aus. Julius verstand und ließ das Thema fallen. Er wußte, daß das Geld von Bischof Kennedy für den Freikauf von Nicholai de’ Acciajuolis Bruder bestimmt war. Wenn der Grieche auch hier um Hilfe bitten wollte, tat man ihm keinen Gefallen damit, auf die Höhe seiner Einnahmen hinzuweisen.
Das Gespräch versiegte. Jaak de Fleury unternahm nichts, um es wiederzubeleben. Julius wußte, daß er es kaum erwarten konnte, die Medici loszuwerden und sie alle vor Einbruch der Nacht ihrer Wege zu schicken. Der Mann legte keinen Wert auf ihre Gesellschaft.
Es ergab sich aber eine Schwierigkeit. In der Medici-Bank wurden gerade jetzt neue Berichte für Mailand zusammengestellt. Messer Nori würde sie morgen vorbeibringen. Und er hoffte, der Hauptmann des Hauses Charetty würde ihre Beförderung übernehmen. Die angebotene Bezahlung war ausgezeichnet. Doch Jaak de Fleury lehnte rundweg ab, dem Charetty-Troß noch länger Unterkunft zu gewähren. Julius handelte schnell und entschlossen eine Vereinbarung mit Nori aus. Wenn er jetzt unverzüglich zum Bankhaus zurückkehre und die Unterlagen verpacke, würde Julius einen Mann vorbeischicken und sie holen lassen. Er war froh, daß ihm das eingefallen war. Als es später galt, den Boten auszuwählen, entschied er sich für Claes, der Sassetti kannte, mit der Stadt vertraut war und den kleinen Ausflug verdient hatte, wie er fand.
Es kam Julius nicht in den Sinn, daß de Fleury etwas dagegen haben könnte. Er packte seine Papiere zusammen, ging zu Astorre hinaus und wollte ihm helfen, den Troß reisefertig zu machen, als ihn die Aufforderung erreichte, sich in Monsieur Jaaks Arbeitszimmer einzufinden. Es kam zu einem äußerst unerfreulichen Gespräch, nach dem Julius weiß vor unterdrücktem Zorn davonstürzte, um sein Zimmer aufzusuchen. Der erste, der ihm dort begegnete, war Claes, mit Thomas’ Gepäck beladen.
»Du bist also zurückgekommen«, sagte Julius.
Claes machte ein erstauntes Gesicht. »Ich mußte warten. Die Briefe waren noch nicht alle fertig.«
Julius ließ sich auf eine Matratze fallen. »Dieses alte Scheusal war überzeugt, du wärst durchgebrannt oder dabei, alle seine Geheimnisse zu verraten.«
Claes betrachtete ihn teilnahmsvoll. »Hat er gedroht, Euch die Hände abzuhacken? Nein, sie haben mir Bier angeboten und mich über Meester Tobias
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