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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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im November, das gab natürlich, wenn man nach Hause zurückkehrte, eine gute Geschichte - und warum auch nicht? Für Afrikaner (oder Elefanten), die noch nie Schnee gesehen hatten, war es allerdings nicht gerade ein Vergnügen. Gebildete junge Männer hatten beschrieben, wie sie sich tapfer mit verbundenen Augen auf Schlitten über die Berge ziehen ließen. Einer hatte erzählt, er habe die Berge in einer Sänfte auf Rädern passiert, die klugerweise von einem mit langem Tau angeleinten Ochsen gezogen wurde, und dabei die Zügel seines Pferdes in der Hand gehalten.
    Als einziges Zugeständnis ließ Astorre sämtliche Waren auf Lastpferde und Mulis umladen und hüllte die vier als Geschenk gedachten Pferde in Decken. Einem nachträglichen Einfall folgend, gab er auch Loppe eine Decke, aus der sein breites schwarzes Gesicht wie glattpoliert hervorlugte. Er war alles andere als glücklich.
    Das Packen und Festzurren überließ Astorre Claes, der sich auf der bisherigen Reise als Naturtalent bei der Gewichtsverteilung erwiesen hatte und Knoten knüpfen konnte wie ein Seemann. Obwohl auf dem Jura zu ihrer Linken und auf den Alpen zu ihrer Rechten Schnee glitzerte, war am Seeufer noch alles grün, und ohne die Karren kamen sie schnell voran. Der schneidende, bitterkalte Wind peitschte und bog ihre Standarten und den erst kürzlich frisch eingefärbten Federbusch auf Astorres funkelndem Helm.
    Für den Weg von Genf bis zur St.-Bernhard-Herberge auf dem Gipfel des Großen St. Bernhard rechneten sie vier Tage ein, und mit etwas Glück würde bis St. Pierre kein Schnee liegen. Schließlich brauchten sie sogar nur drei Tage, da der Schnee durch den Reiseverkehr von und zur päpstlichen Versammlung anläßlich eines neuen Kreuzzugs bereits festgetrampelt war. Grund genug für Herbergen wie auch Klöster, gut beheizt und mit reichlich Vorräten eingedeckt zu sein und damit auch noch ein gutes Geschäft zu machen.
    Natürlich gelangte man auch auf anderen Wegen nach Italien. Ganze Heere marschierten über den weniger steilen und für die Beförderung von Nachschub geeigneten Brenner. Deutsche wie Sigismund von Tirol zogen über den St. Gotthard, Franzosen, Flamen und Engländer, die nicht am Genfer See entlangreiten wollten, verschifften ihre Waren auf der Rhône nach Marseille, von wo aus sie zur geeigneten Jahreszeit nach Genua in See stachen.
    Es war aber nicht die richtige Jahreszeit für Schiffsreisen, zudem unterstand Genua französischer Herrschaft. Daher führte der Hauptmann, die Narbe seines Ohrs blau gefroren und Eiszapfen im Bart, seinen Troß durch Savoyen, das indirekt auch von den Franzosen beherrscht wurde, da König Karl dem Herzog von Savoyen sagte, wie er sich zu verhalten habe. Allerdings wußte alle Welt, daß auch die Gemahlin des Herzogs und ihre sämtlichen Anverwandten aus Zypern dem Herzog erklärten, was er tun solle.
    Sich immer alle Wege offenhalten, das war die Art des Herzogs von Savoyen. Sein Vater, der vor acht Jahren verstorbene Papst, hatte zumindest gewußt, was er wollte und wie es zu erreichen war, auch wenn er es nicht direkt ins Auge fassen konnte. Als schielenden Affen hatte der jetzige Papst seinen Vorgänger Felix Gerüchten zufolge bezeichnet, natürlich auf lateinisch. Und in allen Herbergen und Klöstern, wo Astorres Troß anhielt, wurden hinter vorgehaltener Hand anzügliche Geschichten über den jetzigen Papst Pius erzählt.
    Ein heikles Gesprächsthema, so mochte es scheinen, doch es gab gefährlichere. In St. Moritz hatten vor Wappenschilden strotzende Engländer halt gemacht, und mit denen sprach besser keiner über ihren schwachsinnigen König aus dem Hause Lancaster und die Rebellen aus dem Hause York. Oder über ihre französische Königin, deren Bruder sich gerade auf dem Weg nach Neapel befand, um dort zu kämpfen. Da war es schon sicherer, über den unseligen, fast fünfundzwanzig Jahre zurückliegenden Besuch des Papstes in Schottland mitsamt den wohlbekannten Folgen zu reden: über den Bastard mit schottischem Blut, der bald umgekommen war, und über die Pilgerreise auf bloßen Füßen, die danach so lädiert waren, daß sie Pius Aeneas fortwährend plagten. Man hätte meinen können, die Füße des Papstes interessierten den großen Doktor Tobias. Doch der saß einfach da und trank und beobachtete Claes. Was seinerseits Astorre auffiel.
    Als sie sich zur nächsten Mahlzeit niedersetzten, redete ein Mailänder, der auf dem Weg nach Norden war, unaufhörlich über dieses

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