Niccolòs Aufstieg
Thema, bis Julius es nicht mehr mit anhören konnte und ein gutes Wort für den Papst einlegte. »Schon gut. Er hatte ein paar Bastarde«, erklärte er. »Aber warum hat dann dieser Zerstörer von Ehen die heiligen Weihen empfangen, ist Papst geworden und setzt sich nun mit ganzer Kraft für einen Feldzug zur Rückeroberung Konstantinopels ein?«
»Kennt Ihr ihn denn?« erwiderte der Mailänder. »Nun, einige reden von einem Sinneswandel. Hätte ich all das auf dem Gewissen, würde ich sicher einen Sinneswandel durchmachen. Wie dem auch sei, mein Herzog beklagt sich nicht. Niemand wird zu einem Kreuzzug aufbrechen, solange in Süditalien Krieg herrscht. Wenn der Papst möchte, daß Mailand gegen die Türken kämpft, dann muß er zuerst Mailand helfen, diese französischen Hunde zu schlagen, die es auf Neapel abgesehen haben.«
»Davon haben wir gehört«, meinte Julius.
»Sie haben es mir gesagt. Oh, in Mailand werden sie Euch sicher anwerben«, mischte sich ein anderer ein. »Entweder das päpstliche oder das Mailänder Heer; oder sie schicken Euch geradewegs nach Neapel, um König Ferrante beizustehen. Wohlgemerkt, Ihr müßt Euch gut überlegen, für wen Ihr Euch entscheidet. Hier treiben sich jede Menge Franzosenfreunde herum, die zu der Versammlung in Mantua unterwegs sind. Die überholt Ihr besser nicht, wenn Ihr es einrichten könnt.«
Ein nützlicher Ratschlag, doch schwer zu befolgen auf einer Höhe, wo sich der Schnee türmte wie Wolle in Scherschuppen und allmählich die ausgetretenen Wege versperrte. Die Pferde trotteten mit hängenden Köpfen dahin. Die Wangen der Männer zwischen Bart und Brauen wurden wund und fleckig, und wenn sie sich schneuzten, blieb der Gesichtsschutz an der Haut ihrer Finger kleben. Jetzt schloß man zu jedem Zug auf, der sich in der Weiße des Schnees verschwommen abzeichnete, und tat sich dankbar zusammen, denn je größer die Gruppe, desto höher die Sicherheit.
Als dieser angewachsene, vielsprachige Troß schließlich das vom heiligen Bernhard erbaute Kloster erreichte, hatten selbst die Engländer ihre Zurückhaltung aufgegeben, aßen und tranken zusammen mit den anderen in der Wärme des Refektoriums und ließen ihre Bediensteten Claes antworten, wenn dieser bei ihnen sein John Bonkle abgelauschtes Englisch ausprobierte. Am Morgen darauf war Astorre als erster auf den Beinen und bereitete seinen Troß für die zweite, schwierigere Etappe der Reise vor. Die Waren festzuzurren überließ er Claes, den man aus einem angrenzenden Hof herbeiholen mußte, wo er eine Pumpe repariert hatte.
Zwar hielt Astorre den Segen für übertrieben, den der Prior Claes spendete, doch vielleicht bewirkte er, daß der Bursche nicht vom Pferd fiel, ehe sie die Berge überquert hatten. Obwohl, der Tölpel lernte dazu. An den Gesprächen merkte Astorre, daß Claes den Söldnern nicht mehr so oft als Zielscheibe des Spotts diente, obwohl einige der rauheren Gesellen ihm auch jetzt noch gelegentlich Streiche spielten.
Ein weniger erfahrener Hauptmann als Astorre hätte ihnen wohl Einhalt geboten, bevor sich einer ein Bein oder einen Arm brach. Doch derlei führte zu nichts Gutem. Die Leute mochten es nicht, wenn einer bevorzugt behandelt wurde, und verabreichten ihrem Opfer hinterrücks erst recht Prügel. Claes mußte selbst so schnell wie möglich herausfinden, wie er sich am besten schützte. Und das tat er auch. Obwohl diese Höllenreise selbst erfahrene Männer auf eine harte Probe stellte, ganz zu schweigen von jungen Burschen mit einem Hang zum Unfug.
Etwas in diesem Sinn sagte Astorre auch zu Tobias, der als ehemaliger Gefährte Lionettos bislang Astorres tiefem Argwohn ausgesetzt gewesen war. Die Zeit hatte jedoch gezeigt, daß der Arzt erstaunlicherweise ganz nach Astorres Geschmack war und eine ebenso scharfe Zunge wie Thomas besaß, die jeden faulen Reiter aufscheuchte. Es hatte Astorre einige Überredungskraft gekostet, bis Thomas sich damit abfand, daß ihr Troß jetzt vier und nicht nur zwei Hauptmänner hatte, und einsah, daß kein Troß, der auf sich hielt, mit weniger auskam.
Verträge, Briefe, Buchhaltung, all das gehörte zum Geschäft, und die Zeit war zu knapp, um jeden Tag eine halbe Stunde lang in einer Stadt nach einem öffentlichen Schreiber zu suchen. Ebensowenig konnte man die Dienste des Konsulenten seiner Herrschaft in Anspruch nehmen, denn ehe man sich versah, betrog der einen. Zudem blieben erprobte Kämpfer stets dort, wo ein guter Arzt war. Gutes Essen,
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