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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Dunnett
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ein Stück weiter hinten sah er eine Mulde im Schnee, in der eine geduckte Gestalt sich kaum merklich regte »Wer ist das?« fragte Astorre ärgerlich. Er mußte anhalten. In dieser Schneewüste kam jeder um. Als er stehenblieb, drängte der Troß nach und stockte ebenfalls. Astorre ließ seinen Blick über die Gesichter schweifen, alle seine Offiziere waren da, Claes und der schwarze Loppe ebenfalls. Einer der Soldaten also, zum Teufel mit ihm.
    »Er muß verletzt sein«, sagte Tobias. »Ich reite zurück. Kommt Ihr an mir vorbei? Nein. Seht doch. Da ist ein anderer Trupp Reiter hinter ihm, die werden ihn auflesen.«
    Julius hatte sich nach vorne zu ihnen gedrängt. »Wenn sie ihm nicht die Kehle aufschlitzen und seine Rüstung mitnehmen.«
    »Er hat gar keine. Das ist Bruder Gilles. Hauptmann Astorres Mönch«, warf Claes ein. Sein Gesicht war zwar aufgerauht, aber fröhlich, und seinen Helm zierte eine Haube weißen Schnees.
    »Wahrscheinlich sind es Lancasters Gefolgsleute. Die tun ihm nichts. Aber ich werde mich vergewissern, ob es wirklich die Engländer sind. Soll ich?« Und er gab dem Pferd die Sporen und trieb es auf die nächstgelegene Anhöhe zu.
    Astorre hielt ihn nicht auf. Allmählich wurde ihm dieser Bruder Gilles mehr als nur lästig, auch wenn er einst einer seiner vielen Schwestern irgendeinen Dienst erwiesen hatte und jetzt seine Belohnung einforderte. Doch es war ein Gebot des Anstands, den Mönch zu retten - natürlich nur, sofern Aussicht auf Erfolg bestand. Astorre warf einen Blick auf die tiefhängenden, schweren Wolken und fluchte insgeheim. Die beiden akademisch gebildeten Männer wechselten wissende Blicke. Claes war indessen auf einem Felsvorsprung angelangt, stellte sich mutig in die Steigbügel und richtete seine tränenden Augen auf die Fahnen der sich nähernden Reiter. Dann hellte sich sein Gesicht auf. »Alles in Ordnung. Ich sehe Worcesters Banner. Es sind die Engländer.«
    Alle wirkten erleichtert. Tobias griff nach seinen Zügeln und wollte eben zurückreiten, um dem Mönch zu helfen. Der Gestürzte reckte verzweifelt einen Arm aus dem Schnee, weil keiner ihm zu Hilfe eilte und er auf die Barmherzigkeit Fremder angewiesen schien. Dann öffnete er den Mund. Man konnte es deutlich sehen, ein dunkler Fleck in einem weißen Gesicht.
    Tobias und Julius sahen es. Astorre erstarrte. Später wurde Tobias klar, daß auch Claes einen Moment innegehalten hatte. Da mußten die Schilde, Helmbüsche und Satteldecken schon deutlich zu erkennen gewesen sein.
    Doch Claes beachtete die Engländer gar nicht. Vielmehr richtete er den Blick auf den Mönch und legte die Hände hinter die Ohren, die allgemein übliche Geste des Lauschens. Und so aufgefordert, rief Bruder Gilles ihnen etwas zu.
    Seine Stimme war mit der von Loppe nicht zu vergleichen, doch er hatte Angst. Und so traf er vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben sauber den höchsten Ton, den er hervorbringen konnte. »Helft mir!« schrie Bruder Gilles immer wieder panisch.
    Astorre hatte den Kopf wie ein Stier gesenkt, seine auf Claes gehefteten Augen waren blutunterlaufen. »Er soll still sein. Sofort!«
    Fragend schaute Claes nach unten. Erneut polterte Astorre los. »Er soll das Maul halten. Gib ihm ein Zeichen. Er soll aufhören zu schreien. Oder er löst eine gottverdammte -«
    »Das hat er bereits«, erklärte Julius mit zittriger Stimme.
    Tobias schaute nach oben.
    Der Mönch war verstummt. Auch er schaute nach oben. Der englische Trupp, der mittlerweile fast bei ihm angelangt war, richtete den Blick ebenfalls nach oben. Zu beiden Seiten des Gestürzten hüllten Schneewölkchen fein wie Distelwolle die steil aufragenden Schneewände ein, in denen graue Flecken und Risse zu erkennen waren, ehe jetzt Schneemassen auf den Pfad zurutschten, wo der Mönch lag. Schneewirbel erhoben sich, als die ersten Brocken auftrafen.
    Der Hang war nur kurz, und so reichte die Wucht der Schneemassen gerade aus, um ein paar Männer aus dem Sattel zu werfen und den anderen ein, zwei unangenehme Momente zu bescheren, mehr nicht. Einen Augenblick lüftete sich der Schneeschleier. Tobias sah, wie einige englische Reiter, die abgeworfen worden oder abgesessen waren, den fast erstickten Bruder Gilles aus dem Schnee zerrten. Die übrigen waren von der Schneekaskade zurückgewichen und warteten ab, bis sie sich gelegt hatte. Es wurde wieder still. So still, daß man eine Art leisen Trommelwirbel hörte wie vor einer Kavallerieattacke.
    Aber es war keine

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