Niccolòs Aufstieg
guter Sold und ein guter Doktor, das hielt Leib und Seele zusammen. Und ein Anführer, der sein Geschäft verstand, ließ sich auf keine unklugen Wagnisse ein, sondern wußte, daß man die Besten am ehesten mit der Aussicht auf reiche Beute gewann und diese dann redlich teilte.
Bislang, das räumte Astorre ein, war sein Trupp ein ungeordneter Haufen gewesen. Es waren ja auch nie dieselben. Die meisten Männer unter Vertrag stellten sich ein, wenn sie gerufen wurden, aber nicht alle. Einige waren im Feld gestorben. Andere hatten sich für den Winter in Banden zusammengetan, lauerten am Wegrand Reisenden auf, raubten sie aus und sicherten sich so in dieser Zeit Essen und Trinken und Mädchen wie auch die Waffen, die ihnen zustanden. Mehr als einmal wäre er beinahe ausgeraubt worden von Männern, deren Gesichter er kannte und die schleunigst das Weite gesucht hatten, als sie sahen, wen sie vor sich hatten und wie viele Bewaffnete bei ihm waren. Viele von ihnen wurden, noch ehe es Frühling war, gefangen und gehenkt oder niedergemetzelt. Andere fanden vielleicht einen Hauptmann, der mehr Sold zahlte oder reichere Beute versprach; und manche bekamen sogar von der gegnerischen Seite Geld, wenn sie wegblieben.
Schlagkräftige Söldnerheere, die in einem großen Krieg ihren Preis selbst bestimmen konnten, hatten eine eigene Verwaltung, einen Rat, einen Schatzmeister und eine Rentenkasse, gerade so wie ein Stadtstaat. Diese Kompanien waren so schlagkräftig, weil die Männer zusammenblieben und einander kannten; und oft kehrten sie gar nicht nach Hause zurück, sondern zogen in Winterquartiere (die bezahlt wurden), wenn die Kämpfe abflauten, und standen im nächsten Jahr sofort parat.
Das war es, was Astorre erreichen wollte. Ein geborener Soldatenfürst war er nicht. Die Umstände waren nicht danach gewesen, einen Hawkwood oder Carmagnola aus ihm zu machen. Er erwartete nicht, von Königen und Kaisern umworben zu werden. Doch mit Marian de Charettys Unterstützung könnte er es dahin bringen, daß man auf ihn aufmerksam wurde. Die adligen Heeresführer würden ihn um Rat fragen. Er würde der Mann sein, an den sie dachten, wenn ein Anführer für eine bestimmte Belagerung oder eine bestimmte Schlacht gebraucht wurde. Männer würden sich um sein Banner scharen, und er würde über genügend Geld verfügen, um sie zu bezahlen. Schließlich könnte es geschehen, daß ein Fürst der Witwe Charetty die Kompanie abkaufte und ihr ein Zuhause gab. Er kannte Hauptmänner, denen man statt des Solds eine Stadt gegeben hatte, die sie dann behielten. Das war es, was Astorre wollte. Das war es auch, was Lionetto wollte. Doch Astorre würde vor ihm die Männer und das Geld bekommen, abgesichert sein und glänzende Eroberungen machen. Dieses Jahr schien es zum ersten Mal möglich. Und Lionetto käme ihm besser nicht in die Quere, sonst würde er ihn zerschmettern.
Natürlich, das Leben auf den großen Feldzügen war nicht einfach. Keine Ehefrau, kein Heim - oder mehrere, wie bei den Seeleuten. Aber Marketenderinnen - o ja, die mußte man haben. Die würde er selbst für die kleineren Trupps aus Flandern, der Schweiz und Burgund brauchen, die sich ihm anschließen würden. Weiber, die wuschen und kochten, das Zelt oder die Hütte zu einem Zuhause machten und die Männer bei Laune hielten.
Gelegentlich sehnte er sich zurück in die Zeit, als er nichts weiter als Teil einer Lanze gewesen war, inmitten seiner Kumpane, und keine andere Sorge kannte, als sich einen noch übleren Schimpfnamen für den alten Bastard auszudenken, der sie anführte.
Doch gleich rief er sich ins Gedächtnis, wie gut es tat, der Anführer zu sein, dem sich niemand in den Weg stellen konnte. Zumindest dann, wenn einem bei der Überquerung der Alpen nicht gerade ein Schneesturm das Wasser in die Augen trieb. Der Weg hatte sich zu einer einzigen Spur verengt, die sich zwischen hoch aufragenden Schneewänden hinzog, und das waren erst die Ausläufer der noch höheren, noch steileren schneebedeckten Berge. Seinem Pferd behagte das gar nicht, Astorre trieb es an, doch dann bemerkte er, daß Tobias seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versuchte. Astorre ließ sein Pferd in einen langsameren Trott fallen und blickte hinter sich, auf die Stelle, auf die der Arzt deutete.
Hinter den sich auf und ab bewegenden, schneebedeckten Helmen der Soldaten und den nickenden Umrissen der Packpferde zog sich weiße Ödnis hin. Jenseits davon stand ein reiterloses Pferd. Und noch
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