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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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Coker?«
    Cokers Lächeln verblasste langsam. Er sah Danziger von der Seite an.
    »Worüber? Über Niceville?«
    Danziger verschränkte die Arme und trat nach einem Grasbüschel.
    »Keiner von uns ist hier geboren. Ich bin aus Bozeman, und du bist
aus Billings. Bevor wir hierhergekommen sind, hat keiner von uns je so was
gemacht wie gestern, stimmt’s?«
    »Reue ist was für Versager, Charlie.«
    »Ich spreche nicht von Reue. Ich steh auf Geld, Coker, und ich werde
jeden Cent davon genießen. Aber die Sache ist: Wie wir das Ding durchgezogen
und diese Bullen umgelegt haben – wenn man’s genau bedenkt, ist das gar nicht
unsere Art, weder deine noch meine.«
    Coker dachte darüber nach.
    »Das gilt vielleicht für dich. Du bist im Grunde ein besserer Mensch
als ich. Scheiße, ich war zwölf, als ich meinen Alten im Garten totgetreten
hab.«
    »Nach dem, was er deiner Mom angetan hat, hatte er’s verdient. Das
haben sogar die Bullen von Bighorn County gesagt.«
    »Worauf willst du eigentlich hinaus, Charlie? Dass Niceville uns
irgendwie verzaubert hat? Herrgott, Charlie. Wir haben eine Möglichkeit gesehen und sie genutzt, das
war alles. Komm mir jetzt bloß nicht mystisch.«
    Danziger starrte auf Tallulah’s Wall.
    »Die Cherokees haben hier gelebt, bevor die Weißen kamen, und die
sagen, dass dieser Ort verflucht ist. Sie sagen, dass dort oben irgendwas …
Böses ist.«
    Coker folgte seinem Blick.
    »Du meinst, im Crater Sink?«
    »Ja.«
    »Du meinst, da oben lebt irgendwas Böses?«
    »Dir gefällt es hier auch nicht, Coker. Ich hab gehört, wie du dich
mit Merle darüber unterhalten hast.«
    Schweigen.
    »Na ja, kann sein.«
    Er warf die Zigarette auf die Straße, zündete eine neue an und
inhalierte tief.
    »Ja, vielleicht bin ich wirklich böser geworden, seit ich hier bin. Vielleicht ist in irgendeiner kalten Winternacht
etwas aus dem Crater Sink gekommen und in mein Ohr gekrochen, und jetzt frisst
es sich durch mein Gehirn. So was in der Art?«
    Wieder Schweigen, während Danziger darüber nachdachte.
    »Wenn es nichts anderes zu fressen hatte als dein Gehirn, Coker, ist
das arme Ding schon vor einiger Zeit verhungert.«
    »Ach, leck mich doch.«
    »Danke, Coker. Jederzeit gern.«
    Nach einer längeren Pause und in nachdenklichem Ton fuhr Danziger
fort: »Ich will die arme kleine Twyla da drinnen jedenfalls nicht umlegen, ohne
einen guten Grund zu haben. Ich meine, warum noch mehr Schuld auf mich laden?«
    Gegenüber endete das Motorsensenabenteuer, wie nicht anders zu
erwarten, mit Tränen. Jemand rief ihre Namen.
    »Charlie. Coker.«
    Sie drehten sich um und sahen Twyla Littlebasket in der Tür stehen.
Mehrere Knöpfe ihres hellblauen Semi-Porno-Kittels standen offen, ihr Haar war
zerzaust, und ihre schöne Nase war rot wie eine Hagebutte.
    »Habt ihr mal kurz Zeit?«, rief sie. Ihre Stimme war heiser vom Weinen,
und die Wimperntusche an ihren großen braunen Augen war verschmiert. Sie sah
aus wie Betty Boop, die was auf die Augen gekriegt hatte.
    »Ja, Schätzchen, haben wir«, sagte Coker.
    »Wir müssen reden«, sagte Twyla.
    Coker und Danziger sahen einander an.
    »Scheiße«, sagte Danziger.

Lemon und Rainey begegnen sich wieder
    Beau und Nick hielten sich im Hintergrund und ließen Lemon
den Vortritt. Nick wünschte, Kate wäre da. Sie hatte noch immer nicht
zurückgerufen.
    Zwei junge Ärzte – eine Schwarze mit einem muslimischen Kopftuch und
ein Somali mit modischer Hornbrille und missbilligend gerunzelter Stirn –
standen abseits, um an ihren professionellen Vorbehalten gegen dieses
Eindringen keinen Zweifel zu lassen.
    Der Junge lag auf dem Rücken. Er war abgemagert, seine Lippen waren
gesprungen, die Wangen wund vom Liegen, doch seine großen braunen Augen waren
weit geöffnet, und er sah Lemon Featherlight mit einem vertrauensvollen, leicht
umflorten Ausdruck an, der in seiner Zuneigung rührend war.
    Lemon beugte sich über das Bett und nahm Raineys Hand.
    »Es sind zwei Männer da, die Fragen an dich haben, Rainey. Meinst
du, du kannst ein paar Fragen beantworten?«
    »Ich … ich war manchmal wach. Ich konnte Leute im Zimmer hören. Ich
erinnere mich an deine Stimme, du bist gekommen und hast mit mir geredet. Und
ich habe Rauch gerochen. Das war gut. Ich wollte was sagen, aber ich hatte
keine Stimme. Ich konnte mich nicht bewegen. Aber du warst da. Und dann warst
du weg. Und alles andere war auch weg.«
    So
viel zum Thema Koma , dachte Nick und sah zu den Ärzten, die die
Köpfe

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