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Niceville

Niceville

Titel: Niceville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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die nackte Frau in dem Glas war und noch immer lächelnd und mit ausgebreiteten Armen auf ihn wartete. Die
Brust wurde ihm eng, und eines seiner Knie begann zu zittern. Er spähte in die
Finsternis des Esszimmers.
    Und dann hörte er eine Stimme.
    Es hätte die von Delia Cotton sein können.
    Lauf,
Gray, lauf.
    Um
Gottes willen lauf.
    Gray Haggard wollte gerade die Türen zuschlagen und fortlaufen, als
ihm urplötzlich etwas aus der Schwärze entgegenschoss wie ein riesiger Schwarm
Krähen, die direkt auf ihn zuflogen.
    Im Bruchteil einer Sekunde sah er spitze schwarze Schnäbel und
pechschwarze Augen, in denen ein grünliches Licht schimmerte. Die schwarze
Wolke traf sein Gesicht und seinen Oberkörper mit voller Wucht, und in seinem
Kopf flammte ein blendend violettes, von glutroten Drähten durchzogenes Licht
auf. Er fiel rückwärts ins Musikzimmer, prallte mit dem Rücken auf und schlug
mit dem Kopf hart auf das Parkett. Er war benommen und wie gelähmt, doch er
merkte, dass sich die schwarze Wolke über ihn legte, als wäre sie aus Staub
oder Öl, dass sie ihn wie ein Leichentuch bedeckte, dass sie sich in ihn
hineinbrannte wie Lava und in jeden Winkel drang. Er hatte das Gefühl,
gefressen zu werden.
    Es dauerte weit länger, als sein Geist ertragen konnte. Gegen Ende
war er nicht mehr er selbst. Das Ding fraß weiter, und nach einiger Zeit war
Gray Haggard aus der Welt der Lebenden verschwunden.

Kate und Nick sprechen miteinander
    Kate war auf dem Heimweg, als ihr Handy läutete. Es war
Nick. Von wo rief er an? Sie hatte keine Ahnung.
    »Wie war’s mit Bock?«
    Kates Stimmung, die sich beim Anblick von Bocks Gesicht verfinstert
hatte, hellte sich auf, als sie seine Stimme hörte.
    »Wir haben den Scheißkerl besiegt.«
    Jetzt klang Nicks Stimme anders.
    »Das ist gut. Aber wir haben über ihn gesprochen. Ich glaube noch
immer, dass du ihn im Auge behalten musst. Ich meine, wir müssen ihn im Auge
behalten. Du hast doch die Glock im Handschuhfach?«
    Kate verdrehte die Augen. Nick war Detective beim CID und neigte, wenn es um den Schutz seiner Familie ging, zu extremen Reaktionen.
Da Kate, soviel sie wusste, seine einzige Frau war, konzentrierte sich seine
ganze Aufmerksamkeit auf sie.
    »Nick, jetzt mach mal halblang. Du musst nicht die ganze Zeit auf
mich aufpassen. Denk nur daran, was letzte Woche in Savannah passiert ist.«
    »Die Kerle hatten es doch darauf angelegt. Die wollten das geradezu.
Also hab ich ihnen den Gefallen getan.«
    »Das waren bloß ein paar aufgepumpte Bodybuilder, die im Forsythe
Park herumgehangen haben. Und wenn das ein Gefallen war, möchte ich lieber
nicht dabei sein, wenn du es ernst meinst. Und dann auch noch genau gegenüber
von unserem Hotel. Jeder in der Lobby konnte zusehen.«
    »Schönes Hotel übrigens. Toller Pool.«
    »Du wechselst das Thema.«
    »Ich versuch’s jedenfalls.«
    »Nick …«
    »Okay, in Savannah bin ich vielleicht ein kleines bisschen zu weit
gegangen. Soll nicht wieder vorkommen. Aber du fährst allein in der Gegend
herum und bist nun mal das Einzige, woran mir liegt.«
    »Ach ja? Und was ist mit den Oakland Raiders? Liegt dir an denen
nicht auch was?«
    »Die sind ja nicht mal mehr in Oakland. Und außerdem sind die alle
bewaffnet.«
    »Ich auch. Wo bist du?«
    Wieder veränderte sich Nicks Stimme.
    »Hast du von dieser Sache in Gracie gehört?«
    »Ja. Schrecklich. Haben sie dir den Fall gegeben?«
    »Noch nicht. Die First Third ist eine landesweit vertretene Bank,
also landet die Sache beim FBI und Marty Coors von der State
Police.«
    »Und wo bist du?«
    »Ich bin draußen am Tatort. Wo der Hinterhalt war. Ich laufe hier
mit Jimmy Candles und Marty Coors herum.«
    »Warum, wenn das CID nichts mit den Ermittlungen zu
tun hat?«
    Nick zögerte kurz.
    Als würde er etwas verschweigen.
    »Weil ich beim Militär war und Marty Coors mich gebeten hat.«
    Kate schwieg für einen Augenblick.
    Sie hatte ihn in Washington kennengelernt, wo er dasselbe Seminar
über Strafrecht belegt hatte wie sie. Er hatte in seiner Ausgehuniform
dagesessen, die Brust voller Ordensbänder, so dunkelhäutig wie ein Beduine, mit
kühlen grauen Augen, einem scharf geschnittenen Gesicht, so schmal, dass er
halb verhungert wirkte, und einer drahtigen Gestalt, mit Kanten, die aussahen,
als könnte man sich daran schneiden.
    Kate stammte aus einer Familie, die dem Militär nahestand, und hatte
einen Bruder, der auf der Polizeiakademie in Glynco war. Dennoch war sie in
politischer

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