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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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Ekelhaftes, so Schreckliches ansehen müssen.
    Der Anfall ging vorüber. Zurück blieb Jones, der auf das hinabschaute, was er angerichtet hatte. Er wandte sich um, rannte zur Tür, machte sie auf und blieb abrupt auf der Türschwelle stehen, den Blick auf die Straße gerichtet. Der Geruch des Blutes war entsetzlich. Der ganze Raum war voller Blut, auf dem Boden standen Pfützen, Wände und Möbel waren blutverschmiert. Jones blickte an sich hinunter und sah, dass auch er von Kopf bis Fuß mit gerinnendem Blut vollgespritzt war. Er würgte, wich zurück ins Zimmer, warf die Tür hinter sich zu. Er bewegte sich seitlich an Stellas Körper vorbei, brachte es nicht fertig, die Leiche der Frau anzusehen, die er so geliebt hatte. Nach einer schieren Ewigkeit erreichte er die Tür zur Treppe, schob sie hinter sich zu und rannte nach oben ins Bad. Dort zerrte er sich die Sachen vom Leib und ließ die Wanne volllaufen. Als er im Wasser lag, fiel ihm ein, dass die Haustür nicht abgeschlossen war, und er musste wieder nach unten, triefend nass und nackt an dem Schrecklichen vorbei, das er angerichtet hatte, und den Riegel vorschieben. Zurück im Bad bemerkte er, dass sein Badewasser rot war, als hätte sie sogar hier oben ihr Blut vergossen, und er musste die Wanne auslaufen lassen, neues Wasser einlassen, bevor er sich wieder hineinlegen konnte.
    Und da lag er nun, der arme, wahnsinnige Jones, Stunde um Stunde, ließ immer wieder brühend heißes Wasser nach, schrubbte seine Haut, bis sein eigenes Blut das Wasser dunkel verfärbte. Dann zog er sich saubere Sachen an, kroch die Treppe hinunter, verließ das Haus durch den Hintereingang und umging so die schreckliche Bewohnerin des vorderen Zimmers. Er rannte zur Straße, wo sein verbeulter, alter roter Ford stand. Er ließ den Motor an, schaute mit furchtsamem Blick über die Schulter zum Eingang des Hauses, legte den Gang ein und gab Gas.
    Erst fuhr er nach Norden, zu einem Versteck am Rand von Bolton, wo er vor fast zwei Monaten die Flinte und eine Plastiktüte mit dem Rest der bei dem Überfall gestohlenen Drogen versteckt hatte. Er überlegte kurz, dann ließ er die Drogen zurück – er würde einen klaren Verstand brauchen. Eine Entscheidung, die Jones in den nächsten Stunden und Tagen tausend Mal bedauerte, immer dann, wenn ihn die Erinnerung an Stella heimsuchte.
    Er setzte seine Fahrt fort. Außerhalb von Bolton ließ er sein Auto stehen und stahl einen weißen Vauxhall. Inzwischen war es zwei Uhr morgens. Er überquerte die Pennines am Snake Pass, erreichte die Autobahn M1 und fuhr südwärts. Er wollte nach Harwich und von da mit der Fähre in die Niederlande und sich unterwegs immer mal wieder ein anderes Auto besorgen. Oder vielleicht auch nicht. Merkwürdigerweise wuchs ihm das Auto, mit dem er fuhr, immer mehr ans Herz. Es brachte ihm Glück. Er klopfte aufs Lenkrad. Jetzt würde alles Schreckliche ein Ende nehmen. Er ließ alle Probleme hinter sich, ließ seine ganze Vergangenheit auf der anderen Seite der Berge. All das Gift, die Gewalt, die Schande, der Verrat, all das blieb zurück. Er fing ein neues Leben an, ein besseres Leben, ein sauberes Leben. Er war ganz unten gelandet – was konnte ihm da noch Schlimmeres geschehen?
    Wenn er weiter so gut vorankam, würde er den Hafen erreichen, bevor es irgendjemand erfuhr. Manley würde vielleicht an die Tür klopfen, aber er würde das Haus nicht betreten, wenn Jones ihn nicht einließ. Es konnte Tage dauern, bis es herauskam.
    Jones drückte das Gaspedal durch und raste in die Nacht hinein.

35
  Oldham Street
     
    Wenn der Wind kräftig blies, krächzte und stöhnte das Dach von Sonnscheins Haus in der Oldham Street wie ein müder alter Mann, der auf seinem Stuhl herumrutscht. Es war ein hohes Gebäude mit einem aufwendigen Schieferdach, das sich Stürmen wie ein Segel darbot. An windigen Tagen lief dieses Stöhnen durchs ganze Haus, so dass man meinen konnte, in den oberen Stockwerken schlichen unheimliche Fremde auf Strümpfen herum und brächten die Dielenbretter und Türen zum Knarren, während über ihnen das Dach schwankte und sich aufblähte und laut ächzte, als sehnte es sich danach, hinauf in den Himmel zu fliegen und nie wieder zurückzukommen.
    So war es in jener Nacht – hoch oben am Himmel zogen Wolken entlang und spielten mit den Sternen Kuckuck, im Haus trieben sich unsichtbare Wesen herum, der Wind pfiff unter den Dielen durch und fauchte unerwartet an den merkwürdigsten Stellen, die

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