Nicholas Dane (German Edition)
scheinbar keine Verbindung nach draußen hatten. Zum Glück war die Nacht trocken und der Südwind eigenartig warm.
Sonnschein lag mit einem blonden Mädchen namens Sash im Bett. Nick und Davey saßen in der Küche, spielten Karten und haderten mit ihrem Blatt.
Nick hatte sich seit über einer Woche nicht mehr bei Jenny sehen lassen. Jones war nach seiner Tat verschwunden. Nick hatte von dem Mord erfahren, weil kurz darauf die Polizei bei Jenny an die Tür geklopft und nach Nick gefragt hatte – jemand musste ihn mit Stella oder Jones zusammen gesehen haben. Nick hatte sich leise durch die Hintertür aus dem Haus geschlichen und war seitdem nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Er war direkt zu Sonnschein gegangen, wo er Davey traf, der wie immer Bescheid wusste und ihm alles erzählte.
Es gab keine Stella mehr. Das war einfach nicht zu fassen. Nick und Davey hatten gekifft und Bier getrunken, hatten um Stella getrauert und sich über Jones’ Verschwinden gefreut, und dann war Nick einfach dageblieben. Zwar hatte die Polizei ihn auch hier gesucht, aber in der Oldham Street war es leichter, sich zu verbergen – Sonnscheins Gebäude war voller Verstecke. Nick ließ Mr Moberley, die Schule und Jenny hinter sich. Ohne großes Bedauern. Das wirkliche Leben fand hier unter Sonnscheins Dach statt. Auch wenn es im Gefängnis enden oder zu unzähligen anderen Verhängnissen führen sollte, es war zumindest sein eigenes Leben, jedenfalls empfand er das so – und was konnte er sonst schon tun, als sich um sein eigenes Leben zu kümmern?
Es war eine gute Nacht für einen Diebeszug. Die Menschen hielten sich in den Häusern auf, suchten Schutz vor dem Sturm, niemand würde sie durch die Straßen schleichen hören. Die Beute würden sie allerdings nicht mehr zu Sonnschein bringen. Nach Stellas Tod hatte Sonnschein so gut wie all sein Zeug aus dem Haus geschafft, denn es war klar, dass früher oder später die Polizei bei ihm auftauchen und alles auf den Kopf stellen würde. Bei einem Mord, hatte er gesagt, würde die Polizei nicht lockerlassen. Er wagte allerdings nicht, wirklich alles rauszuschmeißen, was er seit Jahren gehortet hatte, denn er fürchtete, bereits überwacht zu werden. Er brachte Davey und Nick dazu, ihm zu helfen, die Dinge tiefer im Gebäude zu verstecken, auf Teilen des Dachbodens, die nicht zu seinen Räumen gehörten.
Es war erstaunlich viel, was sie wegräumten. »Die Bullen werden’s so oder so finden«, sagte Sonnschein ärgerlich. Er stand vor einem Berg von Autoradios, Handtaschen, leeren Brieftaschen, »verlorenen« Kreditkarten, Mänteln und Gott weiß was für Dingen, die Nick und Davey und diverse andere Leute ihm im Laufe der Jahre verkauft hatten und von denen er sich nie hatte trennen können. Er wollte die Jungen dazu bringen, die Sachen aus dem Haus zu schmuggeln, aber sie weigerten sich.
»Das gehört jetzt alles dir«, sagte Davey großzügig. Sonnschein stöhnte theatralisch und nannte ihn einen Judas.
Und sein Gras behielt er natürlich auch. »Nur ein paar Gramm, Eigenbedarf«, sagte er. »Niemand wird einen Mann aus Jamaika wegen ein bisschen was zum Rauchen einbuchten.« Davey und Nick mussten ihr Diebesgut vorerst woanders verkaufen oder es so lange lagern, bis Sonnschein sich wieder sicher fühlte.
Seit dem Mord waren zehn Tage vergangen. Die Polizei war schon öfter da gewesen und hatte Fragen gestellt, aber eine Hausdurchsuchung hatte bislang noch nicht stattgefunden. Davey meinte, Sonnschein habe Verfolgungswahn. Jones sei inzwischen über alle Berge, habe längst das Land verlassen, würde hübsch irgendwo rumhocken – falls das Wort hübsch auf so ein hässliches Arschloch überhaupt zutreffe.
»Für eine Durchsuchung brauchen die Jones gar nich«, sagte Sonnschein. »Die müssen bloß denken, die finden hier irgendeine Spur, mehr nich. Is bloß ’ne Frage der Zeit«, fügte er hinzu, und davon ließ er sich nicht abbringen.
Nick nahm die Karten und mischte sie. Die letzte Woche war fürchterlich gewesen. Die Polizei war ihm ständig auf den Fersen gewesen, um ihn wegen Stella und Jones zu verhören. Was sollte er machen? Zugeben, dass er Jones geholfen hatte, eine Apotheke auszurauben? Und dann? Zurück nach Meadow Hill, zum lieben Tony Creal.
Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Als es hinter der Tür knarrte, schaute er ängstlich dorthin. Davey lachte.
»Das klingt, als wären die Scheißbullen auf der Treppe«, rechtfertigte sich Nick, lächelte
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