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Nicholas Dane (German Edition)

Nicholas Dane (German Edition)

Titel: Nicholas Dane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melvin Burgess
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genau, wo es anfing und wo es aufhörte, nicht einmal er selbst. Er hatte sich im Verlauf der Jahre durch die Wände gebuddelt, nach oben, nach unten, in jede Richtung, und immer mehr Räume für seine Heimlichkeiten erobert. Auf dem von hundertjährigem Staub und Taubenmist verschmutzten Dachboden wölbten sich rästselhafte, mit Planen bedeckte Hügel. Was darunter war, konnte man nur raten – vielleicht Elektrogeräte, vielleicht Falschgeld, vielleicht zerstückelte, in Zement gegossene Leichen. Wahrscheinlich war es jedoch einfach irgendwelcher Plunder, den Sonnschein eines Tages zu verkaufen hoffte. Sonnschein war ein Hamsterer. In den Jahren, die er nun schon dort lebte, hatte er nach und nach alle Räume mit Dingen vollgestellt, die er in die Finger bekam. Alte Stühle, kaputte Elektrogeräte und mehrere Handvoll Besteck lagen auf demselben Haufen wie Antiquitäten, die aus schicken Geschäften geklaut worden waren. Außerdem gab es jede Menge alte Zeitungen und Zeitschriften, Paletten zum Verfeuern, Kleidungsstücke, dreiteilige Anzüge und andere Dinge, die er unter falschem Namen aus irgendwelchen Katalogen bestellt hatte. Es gab nichts, was es nicht irgendwo gab. Man musste es nur finden.
    Red gab es bald auf, sich über die Musik hinweg brüllend mit den Jungen zu unterhalten. Sie ging zurück in die dunkle Ecke und ließ sich neben Sonnschein fallen. Dass der da lag, merkte man zunächst nur am dunkelroten Leuchten eines Joints, der heller glühte, wenn Sonnschein einen Zug nahm, und an den dicken, beißenden Qualmwolken. Als sich Nick an das Dämmerlicht gewöhnt hatte, konnte er auf den Kissen eine lang ausgestreckte Gestalt ausmachen, den Kopf mit den Dreadlocks auf Reds Schoß und einen dicken fetten Joint in der Hand.
    Obwohl Nick versuchte, einen klaren Kopf zu behalten, war er selbst nach den wenigen Zügen froh, dass er saß, weil er sonst wie ein Kleinkind über seine eigenen Füße gestolpert wäre. Irgendwann wurde die Musik noch lauter gedreht und vibrierte in Nicks Eingeweiden und Knochen. Er verlor jedes Zeitgefühl, und es hätte fünf Minuten oder auch eine Stunde später sein können, da wurde die Musik leiser und aus dem Dunkel schälte sich ein kleiner, untersetzter Jamaikaner.
    Er setzte sich zwischen die beiden Jungen, legte einen Arm um Davey und zog ihn so kräftig zu sich heran, dass Davey nach vorne fiel und fast in Sonnscheins Schoß landete.
    »Hey, Mahn?«, sagte er. »Hey, Mahn? Hey?« Dabei strahlte er Nick an. »Na, Davey, nu sag schon, warum du bist hier? Sag bloß, deine Alten haben dich schon wieder rausgeschmissen! Suchst du was zum Pennen? Du weißt doch, für dich hier ist immer ein Eckchen frei, Mahn.«
    »Für mich und für mein’ Kumpel«, sagte Davey und machte sich frei.
    Sonnschein sah Nick ins Gesicht. »Deine Freunde sind auch meine Freunde«, sagte er und streckte Nick die Hand entgegen.
    Dann drehte er noch einen Joint. Sonnschein war eigentlich ständig zugedröhnt und von einem Dunst von Marihuana umgeben. Er handelte damit, er atmete es, er lebte es, er glaubte daran. Für Nick, der ihm gegenübersaß, roch er wie ein besonders würziger Früchtekuchen, der noch nicht lange aus dem Ofen war.
    »Ich liebe Kiffen«, sagte er zu Nick. »Red, bring Bier für meine Freunde. Bier ’s auch gut, Bier, das ist ein Vergnügen, aber Gras, das verpflichtet, Mahn. Genau, zieh dir richtig einen rein!«, rief er, als Nick an der Reihe war. »Davey, mein Junge – wieso du hast diesen netten Kifferfreund vor mir versteckt? Was glaubst du, wie das mir wehtut!«
    Er legte die Hand aufs Herz und kugelte sich vor Lachen.
    Davey erzählte, wie sie aus Meadow Hill geflohen waren. Er stellte Nick richtig groß raus. So wie er es schilderte, hätte man meinen können, das alles wäre ohne Nick nicht möglich gewesen.
    »Der Nick, ey, das glaubste nich«, sagte Davey immer wieder. »Dem laufen die Ideen aus’n Ohrn. Der furzt Ideen, der Nick, echt ma – der brauch bloß eins und eins zusammenzähl’n und schon kommt was Großes bei raus.«
    »Der kann nicht mal eins und eins zusammenzählen, meinst du«, murmelte Nick, dem die Aufmerksamkeit peinlich war. Sonnschein glotzte ihn unentwegt an und machte ein begeistertes Gesicht.
    »Mahn!«, sagte Sonnschein immer wieder und schüttelte den Kopf vor gespielter Bewunderung.
    Red kam mit einem Viererpack Bier im Arm zurück, warf jedem eine Dose zu und ließ sich neben Sonnschein fallen. Der drehte einen weiteren riesigen

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