Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
ihn zurück, bis er Nidhoggs versteinertes Fleisch berührte. Josh kniff die Augen zu, als sie die Arme hoch in die Luft reckte und einen grässlichen Kriegsruf ausstieß: » Odin! «
»Sophie«, flüsterte er.
»Josh!«
Zwei Blocks entfernt, eingezwängt im stehenden Verkehr, setzte sich Sophie Newman auf dem Rücksitz des Wagens kerzengerade auf. Eine plötzliche Panik erfasste sie, fuhr ihr in den Magen, schnürte ihr fast die Luft ab und brachte ihr Herz wild zum Klopfen.
Nicholas wirbelte herum und ergriff ihre Hand. »Sag schon! Was ist?«
Tränen traten ihr in die Augen. »Josh«, flüsterte sie. Der Kloß in ihrem Hals machte ihr das Sprechen fast unmöglich. »Josh ist in Gefahr, in großer Gefahr!« Intensiver Vanillegeruch erfüllte den Wagen, als ihre Aura aufleuchtete. Winzige Funken tanzten an den Spitzen ihrer langen blonden Haare und knisterten wie Cellophan. »Wir müssen zu ihm!«
»Im Augenblick gehen wir nirgendwohin«, meinte Johanna grimmig. Der Verkehr in der schmalen Straße war komplett zum Erliegen gekommen.
»Gehweg«, sagte Flamel kurz entschlossen. »Fahr rauf.«
»Aber die Fußgänger – «
»Können ausweichen. Du kannst ja hupen.« Er drehte sich wieder zu Sophie um. »Wir sind in ein paar Minuten da«, sagte er, als Johanna mit dem kleinen Wagen hoppelnd auf den Bürgersteig fuhr und unter kläglichem Gehupe vorwärtspreschte.
»Das reicht nicht! Bitte tu doch etwas«, flehte Sophie verzweifelt. »Irgendetwas!«
Nicholas Flamel schüttelte niedergeschlagen den Kopf. Er sah alt und müde aus, hatte tiefe Falten auf der Stirn und um die Augen herum. »Ich kann nichts tun«, bekannte er.
Knisternd und knackend loderte plötzlich eine stinkende gelbe Flammenwand zwischen Josh und der Disir auf. Die Hitze war so groß, dass sie Josh auf Nidhoggs Klauenfüße hinauftrieb und ihm Augenbrauen und Wimpern versengte. Auch die Disir wankte zurück, geblendet von den stinkenden Flammen.
»Josh!«
Jemand rief seinen Namen, doch die entsetzlichen Flammen wüteten direkt vor seinem Gesicht.
Das Feuer riss das Monster aus seiner Lethargie. Es machte einen unsicheren Schritt, der Josh umwarf und ihn gefährlich nahe an die Flammen brachte … die so abrupt in sich zusammenfielen, wie sie aufgelodert waren. Josh stürzte zu Boden und schürfte sich dabei Hände und Knie auf. Es stank ganz widerlich nach faulen Eiern, ihm tränten die Augen und seine Nase lief. Durch die Tränen hindurch sah er schließlich Clarent und wollte danach greifen, als wieder jemand nach ihm rief.
»Josh!«
Die Disir stürzte sich erneut auf ihn und holte mit dem Schwert aus. Ein massiver gelber Flammenspeer traf die Frau und explodierte an ihrem Kettenhemd, das sofort anfing zu rosten und von ihr abfiel. Dann loderte erneut eine Flammen-wand zwischen ihr und dem Jungen auf.
»Josh.« Eine Hand legte sich auf Joshs Schulter, und er zuckte zusammen, schrie laut auf vor Schreck und Schmerz, den die Berührung in seinem lädierten Oberarm ausgelöst hatte. Als er aufschaute, sah er, dass Dr. John Dee sich über ihn beugte.
Schmutziger gelber Rauch tropfte von den Händen des Magiers, die von zerrissenen grauen Handschuhen nur noch spärlich bedeckt waren. Sein eleganter Anzug war völlig verdorben. Dee lächelte freundlich. »Wir sollten besser verschwinden.« Er wies auf die Flammen. »Ich kann sie nicht ewig brennen lassen.« Noch während er das sagte, schnitt die Klinge der Disir blindlings durch das Feuer. Flammen züngelten um das Metall, das ein Ziel suchte. Dee riss Josh auf die Beine und zog ihn weg.
»Warte«, krächzte Josh heiser. Sein Hals fühlte sich wund an von dem Rauch und vor lauter Angst. »Scatty …« Er hustete und versuchte es danach erneut. »Scatty ist …«
»Entkommen«, sagte Dee rasch, legte einen Arm um Josh und führte ihn zu einem Polizeiwagen.
»Entkommen?«, murmelte Josh ungläubig.
»Nidhogg konnte sie nicht mehr festhalten, als ich den Feuervorhang zwischen dir und der Disir entstehen ließ. Ich habe gesehen, wie sie sich aus seiner Klaue gerollt hat, aufgesprungen und die Uferstraße hinuntergerannt ist.«
»Sie … sie ist weggelaufen?« Irgendwie kam ihm das merkwürdig vor. Als er Scatty das letzte Mal gesehen hatte, war sie bewusstlos gewesen. Er versuchte, sich zu konzentrieren, doch sein Kopf dröhnte und die Haut auf seinem Gesicht spannte.
»Selbst die legendäre Kriegerin kam nicht gegen Nidhogg an. Helden überleben und können weiterkämpfen, weil sie
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