Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
suchen«, schlug Josh vor. Er war unsagbar müde, seine Augen brannten und hinter seinen Schläfen pochte es.
Scatty schüttelte den Kopf. »Sie wollen unsere Pässe sehen …« Sophie regte sich in ihren Armen, und sie stellte sie vorsichtig auf den Boden und lehnte sie gegen die Wand.
Josh war sofort an Sophies Seite. »Du bist wach«, stellte er erleichtert fest.
»Ich hab nicht richtig geschlafen«, erwiderte Sophie. Sie hatte das Gefühl, als sei ihre Zunge zu groß für ihren Mund. »Ich wusste immer, was passiert, aber es war, als würde ich mir alles als Unbeteiligte anschauen, wie man sich eine Fernsehsendung ansieht.« Sie stemmte die Hände auf Taillenhöhe in den Rücken und drückte fest zu, während sie gleichzeitig den Kopf kreisen ließ. »Autsch, das tut weh.«
»Was tut weh?«, wollte Josh sofort wissen.
»Alles.« Sie versuchte, sich aufzurichten, doch ihre strapazierten Muskeln protestierten und ein dumpfer Schmerz pulsierte hinter ihren Augen.
»Gibt es hier jemanden, den ihr um Hilfe bitten könnt?« Josh schaute von Nicholas zu Scathach. »Gibt es irgendwelche Unsterblichen oder Erstgewesenen in Paris?«
»Unsterbliche und Erstgewesene gibt es überall«, erwiderte Scatty. »Allerdings sind nur wenige so nett wie wir.« Ein humorloses Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Bestimmt leben Unsterbliche in Paris«, bestätigte Flamel gedehnt, »aber ich habe keine Ahnung, wo ich sie finden kann. Und selbst wenn ich einen auftreiben könnte, wüsste ich nicht, auf welcher Seite er steht. Perenelle wüsste es«, fügte er hinzu und seine Stimme klang traurig.
»Wie steht es mit deiner Großmutter, Scatty? Würde die es wissen?«, fragte Josh.
Die Kriegerin schaute ihn an. »Sicher.« Sie wandte sich an Sophie. »Kannst du dich aus deinem neuen Wissen an etwas erinnern, das mit Unsterblichen oder Erstgewesenen zu tun hat, die hier in Paris leben?«
Sophie schloss die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren, doch die Szenen und Bilder, die an ihrem geistigen Auge vorbeizogen – Feuer, das von einem blutroten Himmel regnet, eine gewaltige, abgeflachte Pyramide, die von einer riesigen Welle überrollt zu werden droht –, waren chaotisch und erschreckend. Sie wollte den Kopf schütteln, hielt aber gleich wieder inne. Selbst die kleinste Bewegung tat weh. »Ich kann nicht nachdenken«, sagte sie. »Mein Kopf ist so voll, dass ich Angst habe, er platzt gleich.«
»Die Hexe wüsste es«, sagte Flamel, »aber wir können uns nicht mit ihr in Verbindung setzen. Sie hat kein Telefon.«
»Und was ist mit Nachbarn? Freunden?«, fragte Josh. Er wandte sich wieder an seine Schwester. »Ich weiß, dass du nicht daran denken magst, aber du musst. Es ist wichtig.«
»Ich kann nicht nachdenken …«, begann Sophie und wandte den Blick ab.
»Du musst auch nicht nachdenken, nur antworten«, schnaubte Josh. Er holte tief Luft und fragte dann leise und langsam: »Wer sind die engsten Freunde der Hexe in Ojai?«
Sophie fielen erneut die Augen zu, und sie schwankte, als würde sie gleich wieder in Ohnmacht fallen. Doch dann öffnete sie die Augen und schüttelte leicht den Kopf. »Sie hat dort keine Freunde. Aber alle kennen sie. Vielleicht können wir in dem Laden neben ihrem anrufen …«, schlug sie vor, schüttelte dann aber wieder den Kopf. »Nein, es ist zu spät dort.«
Flamel nickte. »Sophie hat recht. In Ojai ist es jetzt Nacht und der Laden ist geschlossen.«
»Wahrscheinlich«, stimmte Josh zu. Trotzdem klang er ganz aufgeregt. »Aber als wir aus Ojai weggegangen sind, war dort der Teufel los. Und vergesst nicht, ich hab im Libbey-Park einen sauteuren Geländewagen an die Wand gefahren. Das muss jemandem aufgefallen sein. Jede Wette, dass die Polizei und die Presse jetzt dort sind. Und die Presse beantwortet uns vielleicht ein paar Fragen, wenn wir die richtigen stellen. Wenn der Laden der Hexe in die Luft geflogen ist, wollen sie doch sicher eine Story dazu haben.«
»Das könnte funktionieren«, begann Flamel, »ich müsste nur den Namen der Zeitung wissen.«
» Ojai Valley News , Telefon 646-1476«, sagte Sophie, ohne zu zögern. »Daran erinnere ich mich … oder die Hexe erinnert sich«, fügte sie hinzu und schüttelte sich. In ihrem Kopf waren so viele Erinnerungen, so viele Gedanken und Ideen. Und nicht nur die entsetzlichen und verrückten Bilder von Menschen und Orten, die es nie hätte geben sollen, sondern auch ganz gewöhnliche, banale Dinge; Telefonnummern und Kochrezepte,
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