Nicholas Flamel Bd. 2 Der dunkle Magier
Römische Lichter, Schwärmer und Silberpalmen in den Himmel. Der Mast an der Spitze sprühte rote, weiße und blaue Funken, die wie gurgelnde Wasserfälle durch das Zentrum des Turmes nach unten flossen.
Die Menge war verzaubert.
Immer mehr Leute versammelten sich beim Turm, machten »Oh« und »Ah« und applaudierten bei jeder neuen Explosion. Kameras klickten in einem fort. Autofahrer hielten mitten auf der Straße an und stiegen aus ihren Fahrzeugen, hielten ihre Fotohandys hoch, um das atemberaubende Bild einzufangen. Innerhalb weniger Sekunden waren aus dem Dutzend Menschen unter dem Turm hundert geworden. In den nächsten Minuten verdoppelte sich die Menge, und als die Leute aus den Läden und umliegenden Häusern dazukamen, um das ungewöhnliche Schauspiel zu beobachten, wurden es noch einmal so viele.
Und Nicholas Flamel und seine Begleiter wurden von der Menge verschluckt.
In einer seltenen Gefühlsäußerung schlug Machiavelli mit der flachen Hand so kräftig gegen seinen Wagen, dass es wehtat. Er sah, wie die Menge ständig wuchs, und wusste, dass seine Leute nicht mehr rechtzeitig zur Stelle sein konnten, um Flamel und die anderen an der Flucht zu hindern.
Die Luft zischte und knisterte von Feuerwerkskörpern. Raketen stiegen hoch in die Luft, explodierten und sprühten Lichtkugeln und Blitze. Um die vier gewaltigen Metallfüße des Turms herum knatterten Knallkörper und Wunderkerzen.
»Monsieur!« Ein junger Polizeihauptmann stand vor Machiavelli stramm. »Wie lauten Ihre Befehle? Wir können uns durch die Menge kämpfen, aber es könnte Verletzte geben.«
Machiavelli schüttelte den Kopf. »Nein, tut es nicht.« Dee würde es tun, das wusste er. Dee würde nicht zögern, den ganzen Turm dem Erdboden gleichzumachen und Hunderte Menschen sterben zu lassen, nur um Flamel zu schnappen. Wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte Niccolò gerade eben die Gestalt Saint-Germains in seinem Ledermantel erkennen sowie die eisenharte Scathach, die den jungen Mann und das Mädchen vorwärtsschoben. Kurz darauf verschmolzen sie mit der inzwischen riesigen Menschenmenge und waren nicht mehr zu sehen. Doch dann kam die Überraschung – es war fast schon ein Schock –, als er noch einmal zu der Stelle schaute, an der er Nicholas Flamel zuletzt gesehen hatte, und feststellte, dass dieser immer noch fast direkt unter dem Mittelpunkt des Turms stand.
Der Alchemyst hob die Hand zu einem spöttischen Gruß; das silberne Gliederarmband, das er trug, reflektierte das Licht.
Machiavelli fasste den Polizisten an der Schulter, drehte ihn um 180° herum und zeigte mit seinem langen schlanken Finger auf Flamel. »Der da! Sie brauchen heute nichts anderes zu tun, als mir den da zu bringen. Aber ich will ihn lebendig und unverletzt!«
Sie beobachteten beide, wie Flamel sich umdrehte und zum westlichen Fuß des Eiffelturms eilte, in Richtung Pont d’Iéna. Doch während die anderen die Brücke überquert hatten, wandte Flamel sich nach rechts und folgte dem Quai Branly.
»Zu Befehl!« Der Hauptmann steuerte die Straße in einem spitzen Winkel an, entschlossen, Flamel den Weg abzuschneiden. »Mir nach!«, rief er, und seine Leute reihten sich in einer Linie hinter ihm auf.
Dagon trat neben Machiavelli. »Soll ich mich Saint-Germain und der Schattenhaften an die Fersen heften?« Er drehte den Kopf und seine Nasenflügel bebten nass und klebrig. »Ich kann ihrem Geruch folgen.«
Niccolò schüttelte kaum merklich den Kopf und stieg wieder in seinen Wagen. »Sieh zu, dass du hier wegkommst, bevor die Presse auftaucht. Saint-Germain war schon immer herrlich berechenbar. Er ist ohne jeden Zweifel auf dem Weg zu einer sei ner Wohnungen und die stehen alle unter Beobachtung. Wir können nur hoffen, dass wir Flamel erwischen.«
Dagons Miene verriet nichts, als er hinter seinem Chef die Wagentür schloss. Er wandte sich in die Richtung, in die Flamel gelaufen war, und sah ihn in der Menge untertauchen. Die Polizisten waren ihm dicht auf den Fersen, liefen trotz ihrer Schutzkleidung und der Waffen, die sie behinderten, erstaunlich schnell. Aber Dagon wusste, dass Flamel im Lauf der Jahrhunderte sowohl menschlichen als auch übermenschlichen Verfolgern entkommen war, dass er Kreaturen durch die Lappen gegangen war, die schon vor der Evolution der Affen Mythen waren, und Monster überlistet hatte, die es eigentlich nur in Albträumen hätte geben dürfen. Dagon bezweifelte, dass die Polizei den Alchemysten schnappen
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