Nicholas Flamel Bd. 3 Die mächtige Zauberin
habe.«
Josh drückte fest die Hand seiner Schwester. Er wollte sie ablenken, damit sie nicht über Palamedes nachdachte. Er selbst hatte noch nie von ihm gehört, aber er zweifelte nicht daran, dass das Wissen der Hexe Sophie über ihren Fahrer aufklären würde. Der Mann war ein Riese, gebaut wie ein Verteidiger beim amerikanischen Football oder wie ein Profiringer, und er sprach englisch mit einem seltsamen Akzent. Josh vermutete, dass es vielleicht ein ägyptischer sein könnte. Vor vier Jahren war die ganze Familie Newman in Ägypten gewesen. Einen Monat lang hatten sie die antiken Stätten besucht, und der singende Tonfall des Mannes ähnelte dem, den er dort gehört hatte. Josh beugte sich vor, um den Mann näher in Augenschein nehmen zu können. Kräftige Hände mit kurzen Fingern umklammerten das Lenkrad – und dann fiel ihm auf, dass die Handgelenke und die Knöchel geschwollen und voller Schwielen waren. Josh hatte solche Hände schon bei einigen der Sensei gesehen, mit denen er trainiert hatte. Gewöhnlich waren sie ein Zeichen dafür, dass die entsprechende Person jahrelang Karate oder Kung-Fu gemacht oder geboxt hatte.
»Moment mal.« Palamedes wendete unerlaubterweise und fuhr denselben Weg, den sie gekommen waren, wieder zurück. »Lehnt euch einfach in die Polster und bleibt möglichst im Dunkeln«, sagte er. »Es gibt so viele Taxis auf der Straße, dass sie praktisch unsichtbar sind. Kein Mensch schaut mehr hin, wenn eines vorbeifährt. Und außerdem erwarten sie nicht, dass ihr dieselbe Strecke zurückfahrt.«
Josh nickte. Eine clevere Strategie. »Wer sind ›sie‹?«, fragte er.
Bevor Palamedes antworten konnte, setzte Flamel sich mit einem Ruck auf und sah aus dem Fenster.
»Siehst du sie?«, fragte Palamedes mit seiner tiefen Stimme.
»Ich sehe sie«, flüsterte der Alchemyst.
»Wen?«, fragten Sophie und Josh wie aus einem Mund. Sie beugten sich vor und folgten Flamels Blick.
»Die drei Männer auf der gegenüberliegenden Straßenseite«, erwiderte er knapp.
Drei junge Männer mit glatt rasiertem Schädel, gepierct und schwer tätowiert, gingen mit wiegenden Schritten die Straße hinunter. In ihren verwaschenen Jeans, den schmutzigen T-Shirts und Bauarbeiterstiefeln sahen sie bedrohlich aus, aber nicht unbedingt außerirdisch.
»Wenn ihr die Augen zusammenkneift«, sagte Flamel, »solltet ihr ihre Auren erkennen können.«
Die Zwillinge kniffen die Augen zusammen, und sofort sahen sie die hässlichen grauen Fäden aus rauchigem Licht, die von dem Trio ausgingen. In das Grau mischte sich Purpurrot.
»Cucubuths«, erklärte Palamedes.
Der Alchemyst nickte. »Sehr selten. Sie sind die Nachkommen eines Vampirs und einer Torc Madra«, erläuterte Flamel den Zwillingen. »Oft haben sie Schwänze. Es sind Söldner, Jäger, Blutsauger.«
»Und dumm wie Bohnenstroh.« Palamedes fuhr neben einem Bus her, der das Taxi vor den Cucubuths abschirmte. »Sie folgen eurem Geruch bis zur Kirche. Dann riechen sie euch nicht mehr. Das bringt sie durcheinander. Mit etwas Glück kriegen sie sich in die Wolle und fangen eine Schlägerei an.«
An einer roten Ampel mussten sie anhalten.
»Da vorne an der Ampel«, flüsterte Flamel.
»Ja, ich bin auf dem Hinweg schon an ihnen vorbeigekommen«, erwiderte Palamedes.
Die Zwillinge ließen den Blick über die Kreuzung schweifen, sahen jedoch nichts Ungewöhnliches. »Wen meint ihr?«, fragte Sophie.
»Die Schülerinnen«, brummte Palamedes.
Zwei junge Mädchen, rothaarig und hellhäutig, warteten darauf, dass die Ampel umsprang. Sie sahen sich so ähnlich, dass sie Schwestern hätten sein können, und schienen Schuluniformen zu tragen. Beide hatten teuer aussehende Handtaschen dabei.
»Nicht hinsehen«, warnte Palamedes. »Sie sind wie Tiere: Sie spüren es, wenn sie beobachtet werden.«
Sophie und Josh blickten auf den Wagenboden und konzentrierten sich darauf, nicht an die beiden Mädchen zu denken. Nicholas Flamel nahm eine Zeitung, die auf dem Rücksitz gelegen hatte, schlug sie auf und hielt sie sich vors Gesicht. Er las die langweiligste Rubrik, die er finden konnte, die internationalen Wechselkurse.
»Sie gehen direkt vor dem Wagen über die Straße«, murmelte Palamedes und drehte sich zu seinen Fahrgästen nach hinten um, damit die Mädchen sein Gesicht nicht sehen konnten. »Ich bin zwar sicher, dass sie mich nicht erkennen würden, aber ich will kein Risiko eingehen.«
Die Ampel sprang um und Palamedes fuhr wieder an.
»Dearg Due«,
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