Nicholas Flamel Bd. 4 Der unheimliche Geisterrufer
drohst mir.«
Dass der Grüne Mann verblüfft war, sah man trotz Maske. Seine Stimme verriet seine Überraschung. »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden? Hast du den Verstand verloren, Palamedes? Hat dieser Magier dich verhext? Weißt du überhaupt, wer dein Freund ist? Hast du eine Ahnung, was er getan hat?«
»Ich weiß es nicht und es interessiert mich auch nicht. Wir sind nicht hergekommen, um darüber zu reden.«
»Vielleicht sollten wir das trotzdem tun. Schau ihn dir an!« Tammuz wies auf Saint-Germain. »Er droht mir. Er droht meinem Wald, meinen Geschöpfen. Bringt verfluchtes Feuer ins Herz meines Reiches.« Er streckte eine silbern behandschuhte Hand aus. »Ihm kann ich vielleicht nichts anhaben, aber das gilt nicht für dich. Ich brauche dich nur zu berühren. Ich habe dir die Unsterblichkeit verliehen; mit einer einzigen Berührung kann ich sie dir wieder nehmen.«
William Shakespeare trat vor und stellte sich zwischen Palamedes und Tammuz. »Aber mein Gebieter bist du nicht. Über mich hast du keine Macht.« Seine Brille rutschte ein Stück den Nasenrücken herunter und er blickte mit einem hässlichen Lächeln über die schwarzen Ränder hinweg auf sein Gegenüber. »Und ich bezweifle, dass du auch nur die geringste Vorstellung davon hast, was ich mit dir machen kann.« Der Dichter beugte sich vor. »Bring mich in Rage und ich zeige dir, was die Magie der Worte wirklich vermag. Und glaube mir, Bursche, wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen, Saint-Germain hätte deinen kostbaren Wald niedergebrannt.«
Einen Augenblick lang war lediglich das leise Knistern der Flammen an Saint-Germains Fingerspitzen zu hören. Ein Feuerkügelchen tropfte von seinem Daumen und zerplatzte auf dem Boden. Blätter wurden schwarz und rollten sich ein und plötzlich roch es nach Verbranntem. »Huch!« Der unsterbliche Franzose lächelte, als er die Funken mit seiner Schuhspitze austrat.
Der Grüne Mann war fast bis zur Mitte der Lichtung zurückgewichen. Er blieb stehen, als er mit dem Rücken an die weiße Säule stieß und seine Rüstung schepperte. Er hob den Kopf und blickte über Shakespeare hinweg auf Saint-Germain. »Wirst du gehen und mich in Ruhe lassen, wenn ich dir gebe, was du verlangst?«
Saint-Germain lächelte triumphierend. »Nichts würde mir mehr Freude bereiten.« Er ballte die Hände zu Fäusten und löschte so die Flammen. Übrig blieb nichts als vielfarbiger Rauch.
»Dann sage mir, was du verlangst.«
»Johanna, meine Frau, und Scathach sind in die Vergangenheit geraten und sitzen dort fest. Falls es nicht in deiner Macht steht, sie wieder in unsere Zeit zurückzuholen, möchte ich dich bitten, mich zu meiner Frau zu schicken.« Er griff in seine Jackentasche, zog einen weißen Umschlag heraus und gab ihn Shakespeare, der neben ihm stand. Der Dichter gab ihn an Palamedes weiter, der damit zu dem Älteren ging. Tammuz streckte die Hand aus und der Ritter hielt den Umschlag über den silbernen Handschuh, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass er seinen Gebieter nicht berührte. Dann ließ er den Umschlag in die Hand des Grünen Mannes fallen und trat wieder zurück.
»Johanna und Scathach haben das alte Krafttor außerhalb von Lutetia aktiviert«, fuhr Saint-Germain fort. »Es hätte sie auf die andere Seite der Welt an die Westküste Amerikas bringen sollen, aber dort sind sie nie angekommen. Als ich der Sache nachgegangen bin, habe ich am Null-Kilometer-Stein eine seltsame Substanz entdeckt.«
Tammuz blickte neugierig in den Umschlag. Er war zur Hälfte mit einem grauen Pulver gefüllt.
»Ich habe einige alchemistische Tests gemacht«, erklärte Saint-Germain, »und habe Spuren von gemahlenen Mammutknochen aus dem Pleistozän und die Reste eines Anziehungszaubers gefunden. Das Zeug stinkt nach dieser Schlange, Machiavelli. «
»Und du glaubst, dass deine Frau und die Schattenhafte in die Vergangenheit zurückgezogen wurden?«
»Ins Pleistozän«, präzisierte Saint-Germain.
»Ich habe keine Macht über die Zeitlinien. Ich kann die beiden Frauen nicht in die Gegenwart zurückholen.«
Saint-Germain nickte rasch. »Das hatte ich vermutet. Aber einen gewissen Einfluss auf die Zeit hast du doch. Ich weiß, dass sie in den Schattenreichen anders verläuft. Ein Tag dort könnte bei uns eine Woche, ein Monat oder ein Jahr sein. Ich weiß, dass du deine unsterblichen Humani-Ritter in die Schattenreiche geschickt und dafür gesorgt hast, dass die Zeitunterschiede ihnen nichts
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