Nicholas' Geheimnis (German Edition)
sind zufrieden.«
»Sie kennen es nicht anders«, sagte Andrew. »Sie leben, wie sie von jeher gelebt haben. Sie fischen, oder sie arbeiten in Nicks Olivenhainen, wie die Generationen vor ihnen.« Andrew stellte seinen Drink ab und schaute ebenfalls zu den Fischern hinüber. »Ich glaube, sie wollen es gar nicht anders. Sie sind auf dem Meer zu Hause, arbeiten hart und führen ein einfaches Leben. Vielleicht ist es gerade das, worum man sie beneiden könnte.«
»Aber den Schmuggel gibt es auch«, sagte Melanie leise.
Andrew zuckte mit den Schultern. »Das passt zum Schema, oder? Sie schmuggeln wie ihre Väter und Großväter, um ihren kargen Verdienst aufzubessern. Gefahr kann sie nicht schrecken, im Gegenteil. Sie erhöht den Reiz des Abenteuers.«
Melanie blickte Andrew betroffen an. »Von dir hätte ich diese Einstellung nicht erwartet.«
Andrew schaute Melanie seinerseits verdutzt an. »Welche Einstellung?«
»Diese Gleichgültigkeit einem Verbrechen gegenüber.«
»Aber Melanie! Seit wann ist Schmuggel ein …«
»Es ist kriminell!« unterbrach sie ihn. »Man muss dagegen vorgehen!« Melanie stürzte ihren klaren, aber starken Ouzo hinunter.
»Wie soll man gegen etwas vorgehen, das hier zu Lande seit Jahrhunderten gang und gäbe ist?«
»Rauschgiftschmuggel ist ein schmutziges Geschäft. Einflussreiche Männer wie Alex und Nick, die hier auf der Insel ihren Wohnsitz haben, könnten Druck auf die zuständige Behörde ausüben, sollte man meinen.«
»Ich weiß nicht, wie Alex darüber denkt.« Andrew füllte Melanies Glas nach. »Aber ich glaube, Nick würde sich nie in Angelegenheiten einmischen, die ihn persönlich oder das Unternehmen nicht unmittelbar betreffen.«
Ein Schatten flog über Melanies Gesicht. »Ich weiß.«
»Versteh mich bitte nicht falsch, Melanie«, sagte Andrew. Er starrte auf seine Hände, um ihrem Blick auszuweichen. »Nick ist mir gegenüber sehr großzügig«, fuhr er fort. »Er hat mir das Geld für den Flug geliehen und mir das Cottage zur Verfügung gestellt. Weiß der Himmel, wann ich ihm das Geld zurückgeben kann. Ich hasse es, ihm auf der Tasche zu liegen, aber die Schriftstellerei ist nicht die sicherste Einkommensquelle.«
»Wenn ich mich recht entsinne, hielt der berühmte englische Schriftsteller T.S. Elliot sich als Bankangestellter über Wasser.«
Andrew verzog das Gesicht und lächelte. »Nick hat mir einen Job in seinem Zweitunternehmen in Kalifornien angeboten. Er meint es gut, aber es ist meinem Ego nicht gerade zuträglich.« Andrew schaute aufs Meer hinaus. »Ob mein Schiff je kommen wird, Melanie?«
»Mit Sicherheit, Andrew. Du wirst deinen Traum verwirklichen, du musst nur daran glauben.«
Andrew seufzte. »Ja, vielleicht hast du Recht.« Er schüttelte seine düstere Stimmung ab, und sein Lächeln wurde wieder warm und freundlich. »Ich bin am Verhungern. Wollen wir bestellen?«
Die Sonne war schon untergegangen, als Andrew und Melanie ihr Abendessen beendeten. Weiche, verblassende Farben zogen sich über den Himmel, die ersten Sterne flimmerten am sich allmählich verdunkelnden Horizont.
Der hochprozentige griechische Ouzo und die kräftig gewürzten Speisen hatten Melanie in eine gelöste, zufriedene Stimmung versetzt. Hin und wieder spielte jemand auf einer Gitarre. Das Lokal war voll besetzt, und manche Gäste sangen laut mit.
Der Wirt bediente die Gäste persönlich – ein schwergewichtiger Mann mit einem dünnen Schnurrbart und Triefaugen, die er vermutlich den pfeffergeschwängerten Küchendünsten und den Schwaden von Tabakqualm verdankte, die sich durch das Lokal zogen. Amerikanische Touristen hoben seinen Status, und da er von Melanies fließendem Griechisch beeindruckt war, nahm er jede Gelegenheit wahr, auf ein paar Worte an ihren Tisch zu kommen.
Melanie fühlte sich wohl in der ungezwungenen Atmosphäre. In der Villa Theocharis war sie von Herzlichkeit und Luxus umgeben, aber dies hier war etwas ganz anderes. Hier wurde laut gelacht und hin und wieder Wein verschüttet. So sehr Melanie Liz und Alex zugetan war, ein Leben, das von gesellschaftlichen Zwängen bestimmt wurde, würde sie einengen. Sie würde innerlich verkümmern.
Zum ersten Mal seit diesem Morgen ließen Melanies stechende Kopfschmerzen nach. »Oh, sieh mal, Andrew! Die Männer fangen an zu tanzen.«
Melanie stützte die Ellbogen auf den Tisch, legte das Kinn in die Hände und schaute den Männern zu, die sich mit den Armen umfassten und eine Reihe
Weitere Kostenlose Bücher