Nicholas' Geheimnis (German Edition)
bei Tageslicht tun. Langsam schwamm sie ein Stück hinaus, wohin die sanfte Dünung sie trug.
Die Zeit schien still zu stehen, während sie schwerelos durch das silbrig glitzernde Wasser dahinglitt. Es war so still, so friedlich. Seltsam, erst nachdem Melanie diese Stille entdeckt hatte, wusste sie, dass sie sich danach gesehnt hatte.
New York schien nicht nur auf einem anderen Kontinent, sondern auf einem anderen Stern zu liegen, und im Augenblick war Melanie das nur allzu recht. Hier konnte sie sich ihren Fantasien über alte Götter, strahlende Helden und wilde Piraten hingeben. Könnte ich wählen, würde ich mich wohl für die Piraten entscheiden, dachte sie. Götter sind zu blutrünstig, Helden zu ritterlich, aber ein Pirat …
Melanie schüttelte den Kopf über ihre eigenen abwegigen Gedankengänge. Daran war einzig und allein Liz schuld. Sie selbst wollte weder einen Piraten noch sonst einen Mann. Sie wollte nur Ruhe und Frieden.
Melanie schwamm an den Strand zurück und richtete sich auf. Sie ließ das Wasser aus ihren Haaren und an ihrem Körper hinuntertropfen. Ihr war kalt, aber es war kein unangenehmes Gefühl. Sie setzte sich auf das Strandkleid, zog einen Kamm aus der Tasche und strich sich damit durchs Haar. Mond, Sand und Meer – was wünschte man sich mehr? Sie fühlte sich mit sich selbst und der Natur völlig im Einklang.
Das kalte Grauen packte Melanie, als sich eine Hand hart auf ihren Mund presste. Sie wehrte sich verzweifelt, aber ein starker Arm umklammerte ihre Taille, rauer Stoff schrammte gegen ihre nackte Haut. Jemand riss sie von den Klippen, ein muskulöser Männerkörper presste sich an ihren Rücken.
Panik ergriff Melanie. Wild schlug sie um sich, konnte aber nicht verhindern, dass sie in ein Gebüsch geschleppt wurde.
»Nicht schreien – keinen Laut!« Der Befehl wurde in schnellem, hartem Griechisch ausgesprochen. Melanie wollte gerade wieder zu einem neuen Schlag ausholen, als sie erstarrte. Ein Messer blitzte im Mondlicht auf, und im selben Augenblick wurde sie zu Boden gedrückt. Der Mann warf sich über sie.
»Wildkatze!« zischte er. »Bleiben Sie ruhig, dann geschieht Ihnen nichts. Verstanden?«
Benommen vor Entsetzen nickte Melanie. Unverwandt starrte sie auf das Messer und lag stocksteif da. Jetzt kann ich nichts gegen ihn machen, dachte sie ergrimmt, aber ich werde herausbekommen, wer er ist, und dann gnade ihm Gott!
Der erste Anflug von Panik war vorüber, aber Melanie zitterte am ganzen Körper. Scheinbar eine Ewigkeit lag sie da und wartete, aber der Mann bewegte sich nicht und gab keinen Laut von sich. Es war so still, dass Melanie die kleinen Wellen auf den Sand plätschern hören konnte.
Es ist ein Albtraum, dachte sie. Es kann nicht wahr sein. Aber als sie sich vorsichtig unter dem Mann bewegte, zeigte ihr der Druck seines Körpers, dass sie nicht träumte.
Die Hand über ihrem Mund drückte so fest zu, dass Melanie zu ersticken glaubte. Ihr wurde übel, feurige Kreise wirbelten vor ihren Augen. Sie versuchte die herannahende Ohnmacht niederzuringen. Dann hörte sie den Mann mit einem unsichtbaren Gefährten reden.
»Hörst du etwas?«
»Noch nicht«, antwortete eine raue Stimme. »Wer, zum Teufel, ist sie?«
»Spielt keine Rolle. Ich werde allein mit ihr fertig.«
In ihrem Zustand hatte Melanie Mühe, das Griechisch zu verstehen. Was hat er mit mir vor? fragte sie sich benommen vor Angst und Atemnot.
»Halt du die Augen offen!« fuhr der Mann fort, der Melanie gefangen hielt. »Ich übernehme das Mädchen.«
»Da – jetzt!«
Melanie merkte, dass der Mann über ihr die Muskeln anspannte. Sie wandte den Blick nicht von dem Messer, das er nun noch fester umklammert hielt.
Schritte hallten von den Felsstufen am Strand her. Aus Panik und Hoffnung schöpfte Melanie neue Kraft. Sie begann wieder um sich zu schlagen, aber der Mann stieß einen leisen Fluch aus und legte sich noch schwerer über sie.
Er roch schwach nach Salz und Meer.
Als er die Haltung veränderte, erhaschte Melanie einen kurzen Blick auf sein vom Mondlicht erhelltes Gesicht. Dunkle, kantige Züge, ein strenger Mund, schmale schwarze Augen. Kalte, harte unerbittliche Augen … Das Gesicht eines Mannes, der vor nichts zurückschreckte.
Warum? dachte Melanie verzweifelt. Ich kenne ihn doch nicht einmal.
»Du folgst ihm!« befahl der Mann seinem Gefährten. »Um das Mädchen werde ich mich kümmern.«
Melanie starrte das Messer an. Plötzlich hatte sie einen bitteren, metallischen
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