Nicholas' Geheimnis (German Edition)
Geschmack im Mund. Die Welt schien sich wie rasend um sie zu drehen, und dann löste sie sich in nichts auf.
Die Sterne standen am Himmel, Silber auf schwarzem Samt. Das Meer flüsterte. Der Sand unter dem Rücken war rau. Melanie richtete sich auf und versuchte klar zu denken. Eine Ohnmacht? War sie tatsächlich ohnmächtig gewesen, oder hatte sie geschlafen und alles war nur ein Traum? Sie rieb sich die Schläfen und glaubte schon, ihre Fantasien über wilde Piraten hatten ihr diese Halluzination eingebrockt.
Ein leises Geräusch brachte sie schnell auf die Beine. Nein, sie hatte nicht geträumt. Der Mann kehrte zurück. Melanie sprang den herannahenden Schatten an. Vorhin hatte sie dem unausweichlichen Tod ohne Gegenwehr ins Auge gesehen. Diesmal würde sie kämpfen bis zum letzten Atemzug.
Der Schatten sprang vor, als sie zuschlug, und dann war Melanie wieder unter ihm am Boden gefangen.
»Verdammt, hören Sie auf!« fuhr er Melanie an, als sie ihm mit den Fingernägeln ins Gesicht fahren wollte.
»Den Teufel werde ich tun!« fauchte Melanie ebenso wütend. Sie kämpfte mit vollem Einsatz, bis der Mann sie endgültig unter sich begrub. Atemlos und furchtlos in ihrem Zorn starrte sie zu ihm hoch.
Der Mann musterte finster ihr Gesicht. »Sie sind nicht von hier«, stellte er verblüfft fest, was Melanie so überraschte, dass sie ihren Kampf einstellte. »Wer sind Sie?«
»Das geht Sie nichts an.« Vergeblich versuchte sie, ihre Handgelenke aus seinem Griff zu befreien.
»Sie sollen stillhalten!« wiederholte er und packte fester zu, als ihm bewusst war. Irgendetwas stimmte hier nicht, so viel stand fest, da sie offenbar keine Einheimische war, die sich zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt. Sein Beruf hatte ihn gelehrt, wie man Antworten erzwang, wenn sich Komplikationen ergaben.
»Was haben Sie mitten in der Nacht am Strand zu suchen?« fragte er kurz angebunden.
»Das Meer«, lautete Melanies zornige Antwort. »Ich wollte schwimmen. Das hätte jeder Idiot erraten.«
Der Mann zog die Brauen zusammen, als dächte er angestrengt nach. »Schwimmen«, wiederholte er. Tatsächlich hatte er sie aus dem Wasser kommen sehen. Vielleicht steckte doch nichts dahinter. »Amerikanerin …«, überlegte er laut. Erwarteten Alexander und Liz Theocharis nicht eine Amerikanerin? Ausgerechnet jetzt!
Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Ein amerikanischer Gast des Hauses Theocharis bei einem Bad im Mondschein … Wenn er die Sache nicht vorsichtig handhabte, konnte er sich auf etwas gefasst machen.
Völlig überraschend lächelte er auf Melanie hinunter. »Sie haben mich hereingelegt. Ich dachte, Sie hätten mich verstanden.«
»Ich habe Sie sehr gut verstanden«, gab Melanie zurück. »Und da Sie im Augenblick Ihr Messer nicht griffbereit haben, dürfte es Ihnen schwer fallen, mich zu vergewaltigen.«
»Vergewaltigen?« Der Mann sah sie verdutzt an. Sein Lachen kam ebenso plötzlich wie eben das Lächeln. »Daran habe ich keinen Augenblick gedacht! Aber wie dem auch sei, schöne Nixe, das Messer war nicht für Sie gedacht.«
»Und warum schleppen Sie mich dann durch die Gegend und terrorisieren mich mit diesem … diesem grässlichen Schnappmesser?« Mut war wesentlich angenehmer als Furcht, stellte Melanie fest. »Lassen Sie mich gefälligst los!« Sie versetzte ihm einen heftigen Stoß, aber er rührte sich nicht von der Stelle.
»Einen Moment!« sagte er leise. Das Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Sie war schön, wunderschön … Sicher war sie männliche Bewunderung gewöhnt. Ein bisschen Charme könnte die Situation entschärfen.
»Was ich getan habe, geschah zu Ihrem Schutz«, sagte er schließlich vorsichtig.
»Schutz!« schnaubte Melanie und versuchte erneut, ihre Arme zu befreien.
»Für Formalitäten blieb mir keine Zeit, Lady. Tut mir Leid, wenn meine … Technik ein wenig ungeschliffen wirkte.« Sein Ton deutete an, dass er sich Melanies Verständnis sicher war. »Würden Sie mir jetzt erzählen, weshalb Sie mutterseelenallein wie die Lorelei auf dem Felsen saßen und Ihr Haar kämmten?«
»Das geht Sie nichts an«, antwortete Melanie zum zweiten Mal.
Die Stimme des Mannes hatte sich verändert und klang jetzt leise und weich. Die dunklen Augen blickten nicht mehr so hart. Melanie wollte fast glauben, sie hätte sich die finstere Rücksichtslosigkeit in diesem Gesicht vorhin nur eingebildet. Aber immerhin spürte sie den Schmerz an den Stellen, wo sich seine Finger in ihren Arm
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