Nicholas' Geheimnis (German Edition)
heranschleichen wollte, sprang er auf und verschwand zwischen den Felsen.
Melanie seufzte leise und setzte sich hoch über dem Meer auf einen Felsvorsprung. Zu ihrem Erstaunen entdeckte sie winzige blaue Blümchen, die aus einem fingerbreiten Felsspalt ans Licht drängten. Sanft berührte sie die Blüten, brachte es aber nicht übers Herz, auch nur eine davon zu pflücken. Überall gibt es Leben, dachte sie. Man muss es nur zu finden wissen.
»Melanie.«
Beim Klang der Stimme verkrampfte sich ihre Hand über den Blüten. Melanie wandte langsam den Kopf.
Nick stand nur ein paar Schritte von ihr entfernt. Eine leichte Brise wehte ihm das Haar ins Gesicht. Unrasiert, in Jeans und Sweatshirt – der Mann, den sie in jener Nacht in der Bucht zum ersten Mal gesehen hatte. Melanies Herzschlag stockte einen Moment. Wortlos stand sie auf und wollte den Abhang hinuntersteigen.
»Melanie!« Nick holte sie ein, hielt sie fest und drehte sie unerwartet sanft zu sich um. Seine Augen blickten kühl, aber Melanie las auch die Besorgnis in ihnen.
»Ich habe von der Sache mit Iona gehört.«
»Natürlich. Du sagtest bereits, es gäbe kaum etwas auf der Insel, wovon du nicht weißt.«
Melanies eisige Stimme wirkte auf ihn wie ein Schlag, aber er blieb ruhig. »Du hast sie gefunden.«
Melanie ließ sich von Nicks ungewohnt ruhigem Ton nicht beirren. Sie konnte genauso kalt und hart sein wie er, wenn es sein musste. »Du bist gut informiert, Nick.«
Ihr Gesichtsausdruck blieb leer. Nick wusste nicht, wie er es anfangen sollte, zu ihr zu dringen. Käme sie nur in seine Arme, könnte er ihr helfen. Aber diese Frau würde sich an niemanden mehr anlehnen wollen, und bei ihm schon gar nicht.
»Es war sicher nicht leicht für dich.«
»Jedenfalls war es leichter, einen lebenden Menschen zu finden als einen toten«, bemerkte Melanie spöttisch.
Nick ließ die Hände sinken. Jetzt, da er sie trösten wollte, trösten konnte, war es zu spät. Sie lehnte seine Hilfe ab. »Willst du dich nicht wieder hinsetzen?«
»Nein. So friedlich, wie es vorhin war, ist es jetzt nicht mehr.«
»Lass die Tiefschläge!« brauste Nick auf und packte Melanie grob an den Armen.
»Lass mich los.«
Das leise Beben ihrer Stimme strafte ihre eiskalten Worte Lügen. Nick wusste, lange würde sie nicht standhalten.
»Nur, wenn du mit mir zum Haus zurückkommst«, sagte er.
»Nein.«
»Doch.« Nick packte fester zu und zog sie auf den steinigen Pfad, der nach unten führte. »Wir haben zu reden.«
Melanie wollte seine Hand abschütteln, aber sein Griff war eisern. Nick zog sie einfach weiter. »Was willst du, Nick? Sensationelle Einzelheiten?«
Nicks Mund war nur noch eine schmale Linie. »Na schön. Von mir aus rede über Iona, wenn du willst.«
Melanie würdigte ihn keiner Antwort. Inzwischen hatten sie schon fast die Treppe zu Nicks Haus erreicht. Melanie wurde erst jetzt bewusst, wohin sie sich verirrt hatte. Welcher Teufel hatte sie ausgerechnet auf dieses Kliff hinaufgetrieben?
Nick schob sie durch die Tür. »Kaffee!« fuhr er Stephanos an, der ihnen in der Halle begegnete.
Im Salon drehte sich Melanie wütend zu Nick um. »Gut, du sollst deinen Willen haben! Und danach wirst du mich gefälligst in Ruhe lassen. Ich fand Iona bewusstlos, mehr tot als lebendig. In ihrem Bett lag eine Injektionsspritze. Iona scheint drogenabhängig zu sein.« Sie machte eine kleine Pause. Merkwürdigerweise war sie außer Atem geraten. »Das alles wusstest du bereits, hab ich Recht, Nick? Du warst längst darüber informiert.«
Melanie war totenblass wie gestern am Strand, als sie sich Hilfe suchend in seine Anne geworfen hatte. Nick streckte die Hände nach ihr aus.
»Rühr mich nicht an!« schrie Melanie. Nick zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Melanie wandte sich ab und bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Rühr mich nicht an«, flüsterte sie erstickt.
»Gut, wie du willst.« Nick ballte die Hände zu Fäusten. »Setz dich, Melanie, ehe du umfällst.«
»Sag mir nicht, was ich zu tun habe.« Warum klang ihre Stimme so unsicher? Zornig fuhr Melanie zu Nick herum. »Dazu hast du kein Recht.«
Lautlos betrat Stephanos den Salon. Er stellte das Tablett mit dem Kaffee ab und warf Melanie einen Blick zu.
»Der Kaffee, Miss«, sagte er freundlich. »Trinken Sie eine Tasse.«
»Nein, ich …«
»Sie sollten sich setzen, Miss.« Ehe Melanie protestieren konnte, drückte Stephanos sie sanft in einen Sessel. »Der Kaffee ist stark, er wird Ihnen gut
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